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Eigenzeit

Individuelles Zeiterleben im Spannungsfeld von Augenblick und Dauer. Eine künstlerische Forschung unter Betrachtung medialer Eigenheiten.

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

 

(Afrikanisches Sprichwort)

Vorwort

Die Idee zu dem Thema dieser Arbeit entwickelte sich bei der reflektierenden Betrach­tung meiner Arbeit Raumzeitloop, die im Jahre 2016 entstanden ist.

 

In Raumzeitloop (2016) ist zunächst eine schwarze Fläche im Hochformat mit einem abschließenden weißen Balken am unteren Ende des Bildes zu sehen. Eine tiefe männ­liche Stimme aus dem Off beschreibt das Dargestellte: „Ein Bild, Höhe mal Breite, er­weitert im Ton die zweite Dimension von: …“. Eine Stimme, die im weiteren der Dar­stellerin zuzuordnen ist, vervollständigt den Satz mit den Worten: „Schwarz und weiß, weiß und schwarz (...)“, bis der Ton zu hängen beginnt. Es folgt ein Schrei. Die aufge­nommene lebendige Realität der gefilmten Person wird dabei durch den Herzschlag und den nicht nachvertonten Schrei betont. Das Gefilmte ist ein Abbild der vergange­nen Realität geworden. Präsentiert und wahrgenommen zu einer späteren Zeit an ei­nem anderen Ort. Entscheidend hierbei ist der Satz: „Ich bin kein Bild!“ „Und doch.“ er­widert die Stimme aus dem Off. Der Film beginnt von vorn: „Ein Bild, Höhe mal Breite (...)“.

 

Mich fängt an das Verhältnis von Raum und Zeit zu beschäftigen. Denn in diesem Bei­spiel findet nicht nur in räumlicher, sondern auch in zeitlicher Hinsicht eine Erweiterung statt. Raum und Zeit scheinen in der Vierten Dimension ein Kontinuum zu bilden. Zu­gleich wirkt Raumzeitloop durch die ständige Wiederholung losgelöst von Raum und Zeit. Dies wird durch das Medium Video und der damit verknüpften medialen Verfüg­barkeit unterstrichen. Denn durch das Medium Video findet eine zeitliche Verschiebung vom Zeitpunkt des Filmens und der Präsentation statt. So ist die zeitliche und räumli­che Realität der gefilmten Akteurin eine andere als die der Rezipienten.

 

Mit verschiedenen Fragen zum Verhältnis von Raum und Zeit in Bezug auf Kunst schwanger gehend begegnet mir einige Zeit später der kryptisch anmutende Satz: „Komm einfach in diesem Zeitraum nicht zu spät und bringe etwas Zeit mit.“ Dieser Satz amüsiert und irritiert mich zugleich. Doch was lässt mich innehalten?

 

Der Satz scheint mir trotz oder wegen der unklaren Ausdrucksweise entscheidendes über Zeit zu enthalten. Er beginnt mit einem Imperativ, einer Einladung. Dabei fordert er zu einer Veränderung des Zustandes auf. Komm! Carpe diem! Nutze den Tag! Ich beginne zu sinnieren. Tage, Wochen, Monate und Jahre sind Zeiteinheiten mit einer be­stimmte Dauer. Einteilungen zum Messen der verstreichenden Zeit. Nicht stillstehen, sondern bewegen. Zu einem bestimmten Ort im Raum innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Einer zur Verfügung gestellten Dauer, die verschiedene Möglichkeiten be­reit hält. Auch die, zu spät zu kommen.

 

Doch ist es möglich, innerhalb eines Zeitraumes zu spät zu kommen? Denn ist jemand innerhalb, befindet er sich in einem bestimmten Rahmen. An einem bestimmten Ort, der sich zu einem Außerhalb abgrenzt. „In“ ist eine Präposition, ein Wort, das einen Platz oder Raum beschreibt. Wo? Im angegebenen Zeitraum. Eine Ortsbeschreibung drückt hier perfektes Timing aus. Ebenso Pünktlichkeit. Hier markiert ein Punkt die ex­akte Stelle auf der Zeitachse – ausdehnungslos. Trifft man den Punkt nicht, ist man zu spät. Ich denke an Kairos. Fasst man den Augenblick nicht im richtigen Moment am Schopf, ist er schon vorüber – unwiederbringlich. Doch wo ist Kairos? Versteckt er sich in diesem Satz? In der angestrebten Begegnung? Will man sich begegnen, muss man zur selben Zeit am selben Ort sein. Je nach Raumgröße und Zeitspanne kann sich dies als schwierig erweisen. Ich stelle mir zwei kleine Punkte vor, die durch einen großen Raum flitzen. Jeder für sich ein für sich geschlossenes System. Wie Kometen ziehen sie eine Lichtspur hinter sich her. Die Linien kreuzen sich, doch die Punkte treffen sich nie. Jeder für sich auf seinem Weg durch Raum und Zeit. Termine grenzen beides ein. Sie geben der subjektive Zeit des Einzelnen einen objektiven Rahmen und erleichtern so­mit soziale Interaktionen. Dennoch besteht für jedes System ein eigenes Erleben von Zeit im Raum. Eigenzeit.

 

In mir reift die Idee, dass dies der Anfang einer Arbeit werden könnte, einer For­schungsarbeit, die das Thema Zeit in der Bildenden Kunst unter dem Aspekt der Eigen­zeit betrachtet und erforscht.

 

 

 

 

 

Düsseldorf, Juni 2017 Julia Kosslers

 

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Aufbau

1.2 Methodisches Vorgehen

 

Teil I

 

2 Lakoon und das Problem der Zeitdarstellung in der Bildenden Kunst

2.1 Lessing und die Einteilung in Raum und Zeitkünste

2.2 Gegenpositionen zu Lessings Theorem

 

3 Zeit, Zeitwahrnehmung und Zeiterleben

3.1 Zeit als ästhetisches Erleben

3.2 Zeit in der Bildende Kunst

 

4 Beispiele aus der Bildenden Kunst unter Betrachtung medialer Eigenheiten und Darstellungsformen seit der Moderne

 

Teil II

 

5 Die Erforschung der Eigenzeit mit bildkünstlerischen Mitteln

5.1 Die Installation

5.1.1 Eigenzeit als Veränderungsprozess

5.1.2 Eigenzeit als erlebte Zeit

5.1.3 Eigenzeit als Differenzerfahrung

5.2 Präsentationsentwurf

 

6 Schlussbetrachtung

 

7 Literaturverzeichnis

 

Teil III

 

Werkbuch zu: Eigenzeit. Individuelles Zeiterleben im Spannungsfeld von Augenblick und Dauer. Eine künstlerische Forschung unter Betrachtung medialer Eigenzeiten.

 

1 Einleitung

Menschen sind zeitliche Wesen in einer von Veränderungen bestimmten Welt. Doch Zeit selbst ist mit den Sinnen nicht erfahrbar. Sie riecht nicht, ist unsichtbar, geräusch­los und nicht zu fassen – weder taktil, noch gedanklich. Statt dessen wird die Existenz von Zeit in Bezug zu Dingen und Vorgängen festgemacht. Zeit ist ein Phänomen, das anhand von linearen oder zyklischen Veränderungsprozessen wahrgenommen und er­lebt wird. Dabei stimmt das subjektive Zeitempfinden vielfach nicht mit der objektiv ge­messenen Zeit überein.

 

Seit der Antike wurde Zeit (als historische Zeit) in der Bildenden Kunst in Form von Denkmälern, Portraits und Historienbildern dargestellt. Insbesondere im 17. Jahrhun­dert wurde Zeit (unter dem Aspekt von Vergänglichkeit und Ewigkeit) in Form von Vani­tasdarstellungen bildkünstlerisch thematisiert. Mit Lessings Unterscheidung von Raum- und Zeitkünsten wurde den bildenden Künsten abgesprochen, Zeit darstellen zu kön­nen. Entsprechend stand die kunstwissenschaftliche Erforschung des Raums im Vorder­grund. Mit den Avantgarde Anfang des 20. Jahrhunderts eröffneten sich neue Darstel­lungsmöglichkeiten von Zeit. Insbesondere seit den 60er/70er Jahren ist das Phäno­men Zeit mit seinen vielen Facetten Thema der bildenden Kunst geworden.

 

Das Interesse am Phänomen Zeit in der Bildenden Kunst spiegelt sich auch in verschie­denen Ausstellungen wieder. Als wesentlich für diese Arbeit werden die Ausstellungen Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst (1984), Zeit/Los (1999) und Echtzeit (2016) be­trachtet. Während der Fokus bei der Ausstellung Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst (1984) auf „erlebten Jetztzeiten (kairos) im Zeitraum (chronos) hin zu der gren­zenlosen, fernen Zeit der Ewigkeit (aion)“ (Szeemann 1988, S. 8f. zit. in Rohsmann 1999, S. 388) liegt, untersucht Zeit/Los (1999) vor allem, wie Künstler das Phänomen Zeit thematisiert haben, sodass Zeit zum ursprünglichen und eigentlichen Thema und grundlegendem Werkfaktor in der bildenden Kunst wird (vgl. Aigner 1999, S. 7). Dabei legt die Ausstellung das Augenmerk auf die Veränderungen des konventionellen Werk­begriffs, der zu einer Neubetrachtung der Bildenden Kunst in Hinblick auf Raum und Zeit geführt hat (vgl. Rohsmann 1999, S. 388). Echtzeit (2016) thematisiert Zeit unter dem Aspekt der Langsamkeit und setzt somit einen Gegenpol zur Schnelllebigkeit der heutigen Zeit. Dabei bildet die Widersprüchlichkeit von objektiver und persönlich emp­fundener Zeit den Ausgangspunkt. In der Ausstellung Echtzeit sind Positionen ausge­stellt die „diese nicht zu fassende Differenz zwischen Zeit und Zeitlichkeit ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen.“ (Berg 2016, S. 6)

 

Anfang des 20. Jahrhunderts lag der Fokus kunstwissenschaftlicher Forschung zunächst auf den Erweiterungstendenzen der bildenden Kunstformen. Neue mediale Ausdrucks­formen ermöglichten einen anderen Blick auf die bildkünstlerische Darstellung von Zeit. Seit den 1980er Jahren besteht vermehrtes Forschungsinteresse an der Zeit im Bild und somit am Zeitmaß traditioneller Medien. Entsprechend setzen sich unter anderem Dittman und Böhm mit der Frage nach der Zeit im Bild auseinander. Gamper und Hühn untersuchen in ihrer 2014 erschienen Studie Zeit der Darstellung. Ästhetische Eigenzei­ten in Kunst, Literatur und Wissenschaft die Eigenzeitlichkeit verschiedener medialer Darstellungsformen und stellen dabei Kunst, Literatur und Wissenschaft einander ver­gleichend gegenüber.

 

In dieser Arbeit soll sich Eigenzeit nicht nur auf die medienspezifischen Darstellungsfor­men und Vermittlungsmöglichkeiten beziehen. Eigenzeit wird zum Thema und somit zum Inhalt der Arbeit. Um sich dem Thema zu nähern, werden Positionen der Bilden­den Kunst ab Anfang des 20. Jahrhunderts betrachtet. Die Auswahl wird damit begrün­det, dass mit den Erweiterungstendenzen der Moderne neue Praktiken (z. B. Action-Painting, Konzeptkunst, Performance, Ready-Made) entwickelt wurden und somit neue künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten. Einhergehend mit diesem neuen Kunstverständ­nis steht insbesondere seit den 1960er Jahren nicht mehr allein das Kunstwerk im Vor­dergrund. Zunehmend kommt dem künstlerischen Prozess – verbunden mit der Frage nach dem wie? - Bedeutung zu. Somit richtet sich das Augenmerk auf das Handeln in der Bildenden Kunst (vgl. Haarmann 2011; Hantelmann von/Lüthy 2010, S. 7).

 

Grundannahme dieser Arbeit ist, dass Zeit als Zeit begrifflich nicht denkbar ist und nur anhand von Veränderungsprozessen in Relation von Subjekt und Objekt bzw. intersub­jektiv wahrgenommen und erlebt wird. Somit ist Zeit als Zeiterleben eine Bewusstseins­leistung. Entsprechend lautet die These: Da das Erleben von Zeit ebenso wie das Erle­ben von Kunst eine Leistung des menschlichen Bewusstseins ist, kann das Phänomen Zeit in der Bildenden Kunst nur in der Wechselwirkung von Werk, Künstler und Betrach­ter als Alteritätserfahrung (Erfahrung der Andersartigkeit) und so als Eigenzeit wahrge­nommen werden. Dabei spielen Augenblick und Dauer im Sinne von Zeitraffung und Zeitdehnung eine wesentliche Rolle. Vor diesem Hintergrund soll das Phänomen Zeit unter dem Aspekt Augenblick und Dauer mit bildkünstlerischen Mitteln untersucht und erforscht werden. Künstlerische Darstellungsmöglichkeiten sollen erkundet und reflek­tiert werden. Ziel ist, eine eigene künstlerische Position zu entwickeln, durch die neue Erfahrungsmöglichkeiten eröffnet werden, die eventuell zu einer Erkenntniserweite­rung beitragen. Der Forschungsprozess wird von der Frage begleitet: Wie lässt sich Ei­genzeit unter dem Aspekt Augenblick und Dauer darstellen, sodass es zu einem Modell für Zeit wird und welche Erkenntnisse über Zeit können daraus gewonnen werden?

 

1. 1 Aufbau

Wie schon Kant und Schiller postulierten ist Kunst nur im Spiel der Erkenntniskräfte (Kognition, Emotion und sinnliche Erfahrung) zu erleben und zu erfahren (vgl. Hauskel­ler 1999, S. 34ff.; 39ff.). Entsprechend zeichnet sich künstlerische Forschung dadurch aus, dass sie Regelwissen und Erfahrungswissen miteinander vereint. Ziel ist es, durch künstlerische Praktiken und ästhetische Darstellungsformen ein Wissen hervor zu brin­gen, das nur in der Präsentation und Rezeption vermittelt werden kann. Denn Erfah­rungswissen ist vielfach implizites Wissen, das rein kognitiv nicht zu beschreiben ist (vgl. Matzke 2012, S.939).

 

Die schriftliche Form dieser Arbeit gliedert sich in drei Teile: 1. Theoretischer Kontext, 2. schriftlicher Kommentar zu der im künstlerischen Forschungsprozess entstandenen Arbeit sowie die abschließende Betrachtung des gesamten Forschungsprozesses und die Einordnung in den künstlerischen Diskurs, 3. das im Arbeitsprozess entstandene Werkbuch.

 

Künstlerische Forschung steht nicht allein für sich. Sie ist eingebettet in kunstwissen­schaftliche und kunstgeschichtliche Kontexte. Zudem bindet sie vielfach auch disziplin­fremdes Wissen mit ein. In dieser Arbeit dienen Psychologie und Philosophie (Ästhetik) als Bezugswissenschaften. Teil I (dieser umfasst die Kapitel 2 bis 4) bildet somit den theoretischen Rahmen der Arbeit. Um sich dem Verhältnis von Zeit und Bildender Kunst zu nähern, soll in Kapitel 2 zunächst das Problem erörtert werden, warum dem Phäno­men Zeit bis zum Beginn der Moderne wenig Aufmerksamkeit zukam. Da Kunst nicht nur kognitiv, sondern vor allem mit den Sinnen wahrgenommen wird, soll in Kapitel 3 dargelegt werden, wie Zeit sinnlich wahrgenommen wird, inwiefern Zeiterleben als äs­thetisches Erleben betrachtet werden kann und wie Zeit auf Werkebene vermittelt wer­den kann. Zudem wird in Kapitel 4 die Kunstgeschichte (seit der Moderne) hinsichtlich medialer Eigenzeiten und Darstellungsformen befragt. Die Eingrenzung auf die moder­ne und zeitgenössische Kunst wird damit begründet, dass mit der Moderne künstleri­sche Darstellungsformen entwickelt wurden, die nach wie vor das künstlerische Han­deln prägen und beeinflussen.

 

Erfahrungswissen entsteht im praktischen Tun und Ausprobieren. Der Schwerpunkt der künstlerischen Forschung liegt folglich auf den Prozessen des Hervorbringens und Han­delns (vgl. Matzke 2012, S. 939). Dementsprechend bildet Teil II (dieser umfasst das Kapitel 5) den praktischen und eigentlichen künstlerischen Forschungsteil. Hier wird die künstlerische Arbeit schriftlich und visuell dokumentiert und reflektiert.

 

Teil III enthält das im Prozess erstellte Werkbuch. Skizzen und Notizbüchern begleiten von Anfang an den Forschungsprozess und bilden die Grundlage für die schriftliche Re­flexion in Teil II. Sie sind Teil der Dokumentation. Denn der gesamte künstlerische For­schungsprozess soll offengelegt, dokumentiert und schließlich präsentiert werden. Das Werkbuch ist ein Buch neben dem schriftlichen Kommentar. Es wird als Anhang beige­legt.

 

Teil IV besteht aus dem Kunstwerk selbst, das nur in einer Ausstellungssituation sinn­lich erfahrbar werden kann und eine noch ausstehende Ergänzung zur Schriftform bil­det.

 

1. 2 Methodisches Vorgehen

Die vorliegende Arbeit orientiert sich an den Prinzipien der künstlerischen Forschung. Zunächst werden eine klare Fragestellung und ein Erkenntnisinteresse formuliert. Der gesamte Arbeitsprozess ist offenzulegen, sodass sich der Forschungsprozess dem Rezi­pienten nachvollziehbar vermittelt. Diesbezüglich ist der schriftliche Teil dieser Arbeit als sprachlicher Kommentar zu verstehen, in dem „die Fragestellung, das Vorgehen und das Resultat“ festgehalten werden (Caduff zit. in Bippus 2011). Aufgrund der subjekti­ven Perspektive, die beim Assoziieren und reflektieren im künstlerischen Arbeitsprozess eingenommen wird, ist der praktische Teil durchsetzt von subjektiven Sequenzen, denn künstlerische Forschung ist niemals ganz objektiv.

 

Theoriebildung, künstlerische Gestaltung und Analyse in Form der Reflexion sind un­mittelbar miteinander verschränkt. Künstlerische Forschung wird somit als Prozess ver­standen, bei dem es durch und in der Auseinandersetzung mit dem Thema zu einer schrittweisen Klärung kommt (vgl. Haarmann 2011). Ziel ist eine Erkenntniserweite­rung und die Entwicklung neuer Erfahrungsmöglichkeiten.

 

Da es sich bei dieser Arbeit um eine ästhetische Forschung mit künstlerischen Mitteln handelt, steht die ästhetische Erfahrung im Vordergrund und nicht das begriffliche Denken. Entsprechend wird auf eine eindeutige begriffliche Definition von Zeit und Ei­genzeit verzichtet. Ziel ist es, Zeit im Sinne von Eigenzeit sinnlich wahrnehmbar zu ma­chen und somit einen Beitrag aus künstlerischer Perspektive zum Phänomen Zeit zu leisten. Denn wesentlich für die künstlerische Forschung ist, dass Wissen in der Kunst nur durch „sinnliche und emotionale Wahrnehmung, eben durch künstlerische Erfah­rung“ gewonnen werden kann (vgl. Klein 2011, S. 3).

 

Zu Gunsten der besseren Lesbarkeit wird ausschließlich die männliche Form verwendet. Personen weiblichen wie männlichen Geschlechts sind darin gleichermaßen einge­schlossen.

 

Teil I

2 Laokoon und das Problem der Zeitdarstellung in der Bildenden Kunst

2. 1 Lessing und die Einteilung in Raum- und Zeitkünste

Beschäftigt man sich mit dem Phänomen Zeit in Hinblick auf Bildende Kunst, wird man unweigerlich mit Lessings Abhandlung Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie aus dem Jahre 1766 konfrontiert. Verschiedene Autoren (unter anderem Böhm 1987; Dittmann 1969; Gombrich 1964 zit. in Baudson 1985) weisen darauf hin, dass die Unterteilung in Raum- und Zeitkünste dazu geführt habe, dass dem Phänomen Zeit in der Bildenden Kunst nur wenig Aufmerksamkeit zukam und im Gegensatz zum Raum nur wenig erforscht wurde.

 

Die Laokoon-Gruppe (ca. 200-50 v. Chr.) bezieht sich auf den Mythos des Apollonpries­ters Laokoon, der sich dem Willen der Götter widersetzt hat. Zur Strafe für seinen Verrat werden Laokoons Söhne und schließlich Laokoon selbst von Schlangen umschlungen und getötet. Eben dieser Todeskampf findet in der Figurengruppe ihren Ausdruck. Jede Fi­gur der Lakoon-Gruppe ist in einem anderen, transitorischen – also flüchtigen und so­mit entwicklungsfähigen – Stadium des Todeskampfes dargestellt. Im Zentrum der Lao­koon-Gruppe steht der Apollonpriester. Links und rechts von ihm seine Söhne. Der Apollonpriester hat den Kopf nach hinten geworfen. Er schaut in Richtung Himmel. Sein Gesicht ist verzerrt, doch er schreit nicht. Die angespannte Muskulatur zeugt davon, dass er unter Aufbietung all seiner Kräfte versucht, sich von den angreifenden Schlan­gen zu befreien. Auf der linken Seite der Laokoon-Gruppe ist der jüngste Sohn zu sehen. Kraftlos hängt er sterbend im Würgegriff der Schlangen. Dagegen versucht der ältere Sohn auf der rechten Seite der Gruppe, sich aus der Umfesselung der Schlangen zu be­freien, während er den Todeskampf seiner Leidensgenossen vor Augen hat (vgl. Aigner/Pochat/Rohsmann 1999, S. 154f.). Formal lässt sich die Laokoon-Gruppe mit Worten wie: raumgreifend, richtungsweisend, durchbrochen, dynamisch, bewegt beschreiben. Inhaltlich lässt sie sich mit Attributen wie: sterbend, kämpfend oder leidend versehen, die einen prozessualen Zustand beschreiben. Der zeitliche Prozess des Todeskampfes ist in einem Augenblick fixiert, den Lessing den „fruchtbaren Augenblick“ nennt.

 

2. 2 Gegenpositionen zu Lessings Theorem

Die strikte Trennung in Raum- und Zeitkünste und das damit einhergehende Theorem, Raumkünste könnten und sollten keine Zeit darstellen, ist jedoch nicht so beständig und unwiderlegbar, wie es zunächst scheinen mag (vgl. Bertram 2011, S. 68).

 

Dittmann kommt in seiner Erörterung Raum und Zeit als Darstellungsform bildender Kunst (1969) zu dem Schluss, dass die Zeit als Mittel zur Darstellung bildkünstlerischer Sinnzusammenhänge den Vorrang vor dem Raum habe. Diese Schlussfolgerung basiert auf der Gegenüberstellung kunstwissenschaftlicher Theorien zu Raum und Zeit. We­sentlich ist die Erkenntnis, dass ein Kunstwerk wahrgenommen und erfahren werden muss, damit die im Kunstwerk immanenten Inhalte aufgenommen werden können. Da­für bedarf es Zeit. Die Dimension Zeit in der bildenden Kunst wird von Dittmann weder unabhängig vom Subjekt, noch bewusstseinsunabhängig gedacht. Da dass Kunstwerk als Medium und somit als Träger von Informationen betrachtet wird, wird es erst durch die Rezeption im Bewusstsein des Betrachters vervollständigt. In Anlehnung an Kants Bestimmung der Zeit – Zeit bestehe nicht für sich selbst und sei eine Form des inneren Sinnes – formuliert Dittmann (1969, S. 53): „Nur als Form des inneren Sinnes, als Form sinnvoller Mitteilung, geistig-seelischer Kundgabe ist Zeit auch für die Kunst wesentlich. (…) Denn in der Kunst ist alles „Äußere“ Sprache des „Inneren“, das „Innere“ wird Er­scheinung“. Der Raum in der Kunst beziehe sich hingegen nur auf die äußere Erschei­nungsform, in der er in der Welt fixiert sei (ebd.).

 

Böhm (1987, S. 6 ff.) merkt kritisch an, dass Lessings Theorem auf einer Gegenüber­stellung der Darstellungsträger und nicht der Medien beruht. Lessing vergleicht dem­nach nur die äußere, materielle Form der statischen Darstellungsträger (Stein, Lein­wand) mit den bewegten, immateriellen Klängen bzw. den sich sukzessiv aufbauenden Worten im Verhältnis zum Raum (vgl. Aab 2014, S. 50). Die den Kunstwerken imma­nenten, medienspezifischen Elemente, die in Relation zueinander stehen und deren Inhalte erst im Betrachter zur Geltung kommen, werden von Lessing nicht ausreichend berücksichtigt. Betrachtet man jedoch die Eigenschaften eines Bildes, ist festzustellen, dass sich Bilder aus verschiedenen Elementen zusammensetzen. Diese stehen auf­grund der Kontraste, welche aus der verschiedenartigen Beschaffenheit von Farbe, Größe, Helligkeit, Form, Oberfläche und Menge resultieren, in Relation zueinander. Sie bilden die Syntax im visuellen Zeichensystem. Indem sich die Binnenelemente von der Fläche und zueinander abgrenzen, entsteht im Auge des Betrachters das Bild. Erst durch die Wahrnehmung der Verhältnisse zueinander kann das Gesehene als Bild wahr­genommen und interpretiert werden. Die Wahrnehmung von Bildern und die in Bildern dargestellte Zeitlichkeit und auch Räumlichkeit ist eine Relationsleistung im menschli­chen Bewusstsein. Somit ist die Vermittlung von Zeit in statischen Medien nicht nur auf die Darstellung von Bewegungsmomenten einer Person und damit verbunden auf den „fruchtbaren Augenblick“ beschränkt. Wesentlich ist vor allem, wie die einzelnen Ele­mente zueinander in Beziehung stehen und somit nicht nur das Bildganze ergeben, sondern auch (durch imaginäre oder wirkliche Linien) das Auge des Betrachters lenken. Beispielsweise ist die Art der Verteilung von Punkten auf einer weißen Fläche entschei­dend für die Intensität, in der die vermittelte Bewegung wahrgenommen wird. Sind die Punkte auf der Diagonalen von links unten nach rechts oben angeordnet, wird in der Regel eine intensivere Beschleunigung vermittelt als bei Punkten, die entgegen der Lesrichtung diagonal von rechts unten nach links oben angeordnet sind (vgl. Böhm 1987, S. 6ff.).

 

Im Lexikon der Kunst Band VII (1994, S. 894) steht zusammenfassend geschrieben: „Für die Zeitgestalt wichtig sind Gleichmaß oder Wechsel von Bewegungsverläufen bei einer Figur oder Szene, stets also Qualitätsveränderung der Form, die Verlangsamung oder Beschleunigung (Rhythmus) ergeben, eine Bewegung wie »erstarrt« erscheinen lassen usw. In der Plastik kann wichtig sein, ob eine Figur sich im Raum entfaltet oder nicht, in der Malerei, wohin Verläufe im Bild führen (…), ob eine Diagonale ausschlag­gebend ist oder ein Richtungsausgleich, welchen Bildort Bewegungsmotive haben und welche Beziehung untereinander (…) Das Zeitmaß von Kunstwerken, gleich ob auf symbolischer Entzeitlichung oder Verzeitlichung, bishin zur Punktualisierung der Bildzeit gerichtet, wirkt auf die Bildwahrnehmung, die aber ihrerseits aktiv ist infolge individuel­ler Sehstrategien.“ Nimmt man die Medialität bildkünstlerischer Darstellungsträger in ihrer Spezifik ernst, ist festzuhalten, dass Zeit in statischen Medien durch Qualitätsver­änderung der Form und im Betrachter selbst zum Ausdruck kommt. Die Bildzeit ist ein imaginäres Zeitmaß, denn es ist nicht zu bestreiten, dass Malerei und Plastik statische Darstellungsträger sind (vgl. Lexikon der Kunst Band VII 1994, S. 894). Aber auch der Raum ist in der bildenden Kunst „stets symbolisch zu verstehen“ (Lexikon der Kunst Band VI 1994, S. 49).

 

Böhm (vgl. 1987, S. 6) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Bildende Kunst keine Naturwissenschaft ist. Entsprechend folgt Kunsterleben keinen naturwis­senschaftlichen Regeln. Insofern ist eine Zeitmessung mit herkömmlichen Mitteln, die periodische Bewegung nachweist und misst, für die Kunstbetrachtung irrelevant. Die Erfahrung von Zeit findet vielmehr im Betrachter statt und steht im Zusammenhang mit seinem Zeitsinn. Entsprechend stellt sich die Frage, wie Zeit wahrgenommen wird.

 

3 Zeit, Zeitwahrnehmung und Zeiterleben

Eine einheitliche und eindeutige Definition von Zeit gibt es nicht und scheint auch nicht möglich zu sein (vgl. Prechte/Burkard 2008, S. 697). Zeit umfasst objektive Zeit, Erleb­niszeit und historische Zeit (vgl. Miller 2002, S. 28). Im Allgemeinen beschreibt der Be­griff Zeit das Nacheinander von Naturvorgängen, welche vom menschlichen Bewusst­sein als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wahrgenommen werden (vgl. Gess­mann 2009, S. 782). Dabei ist Zeit nur in Beziehung zu etwas (innere und äußere Rhythmen und Veränderungsprozesse), also in der Relation wahrnehmbar (vgl. Fuchs 2015, S. 104f.). Somit steht Zeit in engem Zusammenhang mit dem subjektiven menschlichen Erleben und Handeln (vgl. Gessmann 2009, S. 782 u. Prechte/Burkard 2008, S. 697).

 

Menschliches Erleben – und somit auch das Erleben von Zeit – umfasst Kognition (Wis­sen, Überzeugungen, Einstellungen), Emotionen und Motive des Handelns. Dabei setzt das Erleben von Zeit sinnliche Wahrnehmung voraus. Die Wahrnehmung von Ereignis­sen und Sachverhalten ist ein aktiver Prozess, der mit Selektion und Konstruktion ein­hergeht. Wahrgenommene Reize werden mit vorhandenen Erfahrungen und Wissens­beständen abgeglichen. Die gezogenen Schlussfolgerungen werden in Kategorien ge­ordnet und vor dem Hintergrund vorangegangener Erfahrung auf Stimmigkeit überprüft (vgl. Hartung 2006, S. 17 u. S. 32).

 

Im Abgleich mit vorhandenen Erkenntnissen und Erfahrungen wird Zeit als: 1. Gleich­zeitigkeit oder 2. Ungleichzeitigkeit, als 3. Folge, sowie als 4. Jetzt und 5. Dauer erlebt (vgl. Pöppel 1987, S. 26; Paflik Huber 1997, S. 251 f.).

 

Dabei ist die Wahrnehmung von Gleichzeitigkeit bzw. Ungleichzeitigkeit in den verschie­denen Sinnesmodalitäten unterschiedlich fein ausgeprägt. Beispielsweise werden Töne schon bei einer zeitlichen Verzögerung von etwa 3 bis 5 Millisekunden als ungleichzeitig wahrgenommen. Dagegen werden taktile Reize, die 10 Millisekunden auseinanderlie­gen noch als gleichzeitig wahrgenommen. Visuelle Reize verschmelzen sogar noch bei einer Differenz von 20 bis 30 Millisekunden zu einer Einheit. Unabhängig von den Sin­nesmodalitäten ist eine zeitliche Abfolge – also eine Reihenfolge von zwei als ungleich­zeitig identifizierten Ereignissen – erst bei einem zeitlichen Abstand von 30 bis 50 Millisekunden zu erkennen (vgl. Brockhaus 2001, S. 695 u. Pöppel 1987, S. 26ff.). Menschliches Erleben besteht jedoch nicht aus einzelnen separaten Sinnesreizen. Ein Ereignis kann sich aus mehreren Sinneseindrücken zusammensetzen und sowohl ge­hört, als auch gesehen, gefühlt, geschmeckt oder gerochen werden. Die einzelnen Er­eignisse werden aufeinander bezogen. Durch einen Integrationsmechanismus im Ge­hirn werden aufeinanderfolgende Ereignisse zu einer Wahrnehmungsgestalt zusam­mengefügt. Dieses Wahrnehmungsgebilde wird als gegenwärtiges „Jetzt“ empfunden. Dieses „Jetzt“ besitzt ein Zeitfenster von ca. 3 Sekunden. Über dieses Dreisekunden­fenster hinaus können keine weiteren Informationen in die gegenwärtige Wahrneh­mungsgestalt integriert werden. Dennoch empfinden Menschen einen Zeitfluss, denn die isolierten Drei-Sekunden-Fragmente, die das Gegenwartsfenster bilden, blinken nicht nacheinander auf. Vielmehr stehen die Bedeutungsinhalte, die stetig neu in das Bewusstsein eindringen, in Bezug zu den vorhergegangenen Bewusstseinsinhalten. (vgl. Pöppel 1987, S. 30ff.). Entsprechend formuliert Miller (2002, S. 30): „Ohne die Fä­higkeit, Vergangenes zu reflektieren und Zukünftiges zu antizipieren, ist die Wahrneh­mung der Zeit als etwas Fließendes nicht möglich.“ Ob etwas kurz oder lang dauert, ist dabei abhängig von „der die Zeit ausfüllenden Tätigkeit“. (Brockhaus 2001, S. 695) An­regende Ereignisse oder viele Inhalte lassen die Zeit kurz erscheinen. Im Zusammen­hang mit dem Gefühl zu spät zu sein, können sie zu Zeitdruck führen. Reizarme Umge­bungen hingegen dehnen die Zeit und lassen das Gefühl der Langeweile aufkommen (vgl. Fuchs 2015, S. 104). Miller (2002, S. 29) fasst zusammen: „Allgemein ist davon auszugehen, daß das subjektive Zeiterleben sowohl von der Anzahl, der Art und Quali­tät der Ereignisse als auch von der aktuellen Stimmungslage der Person abhängt.“

 

Menschliches Leben und Erleben findet in mehrfacher Hinsicht zwischen Augenblick und Dauer statt. Beispielhaft lässt sich formulieren: Jetzt ist der 15. April 2017 und es ist 10:13:32 Uhr. Dies war der augenblickliche Zeitpunkt, die Verortung in der Zeit beim Notieren derselben. Doch schon jetzt ist dieser Augenblick vorbei. In zwei Stunden wird Mittag sein, dann Nachmittag, Abend, Nacht. In 13 Stunden 46 Minuten 29 Sekunden wird dieser Tag, der eine Dauer von vierundzwanzig Stunden hat, zu Ende gegangen sein. Er ist eine Erinnerung. Je nachdem mit wie vielen Eindrücken und Erlebnisinhalten er gefüllt wurde, wird er im Rückblick kurz oder lang erscheinen. Gleiches gilt für Wo­chen, Monate, Jahre, Jahreszeiten und Lebenszeiten. Leben ist zeitlich. Die Zeitlichkeit ist gerichtet. Sie folgt unwiederbringlich einem Zeitpfeil. Das Leben beginnt mit der Ge­burt und endet mit dem Tod. Ein Jahr beginnt mit dem Frühling. Auf den Frühling folgt Sommer, dann der Herbst. Mit dem Winter endet ein Jahr. Weil jetzt Frühling ist, wird die nächste Jahreszeit Sommer sein.

 

Leben ist eingebettet in innere und äußere Rhythmen, die zueinander in Relation ste­hen (vgl. Fuchs 2015, S. 104f.). Die inneren Bewegungen werden uns beispielsweise bei erhöhter körperlicher Anstrengung bewusst, wenn die Atmung heftiger und der Herzschlag schneller wird. Diese inneren Bewegungen sind ein Indikator des Lebens, denn (Herz-)Stillstand bedeutet den Tod (vgl. Mann 1999, S. 97). Am Beispiel von Tag und Nacht oder Ebbe und Flut kommt der Wahrnehmung von Zeit zudem etwas in Peri­oden Wiederkehrendes zu. Im Erkennen des Wechsels von Werden und Vergehen, bzw. dem Zusammenhang von Ursache und Wirkung ist erlebbar, dass Zeit eine Linearitätbesitzt, „die aus der Vergangenheit in die Zukunft weist und Veränderungen mit sich bringt, die nicht umkehrbar sind“ (Paflik-Huber 1997, S. 251).

 

Aufgrund der Fähigkeit zu zählen – die mit dem Erkennen von Ordnungen und zeitli­chen Folgen zusammenhängt – sowie der Wahrnehmung von gleichbleibenden, wieder­holbaren Intervallen hat der Mensch gelernt, die Zeit mit Hilfe einer Uhr zu messen (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 46f. u. S. 251). Diese Zeitmessung bestimmt und taktet das heutige Leben, das immer schneller zu werden scheint. Dabei dient die Orientierung an der Uhr oder dem Kalender der gesellschaftlichen Verständigung über Zeit und ermög­licht verlässliches Planen und Handeln (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 46). Doch schon als Kind erfährt der Mensch, „daß die subjektive Dauer der erlebten Zeit nicht mit der durch die Uhr gemessenen Zeit übereinstimmt“ (Paflik-Huber 1997, S. 251). Dieses Er­leben entspricht der Erfahrung von Eigenzeit. Eigenzeit ist personale Zeit (Lebenszeit, innere Rhythmen) und wird vor allem in der Differenz von „zu früh“ oder „zu spät“ er­fahren (vgl. Fuchs 2015, S. 104). Eigenzeit setzt somit ein in sich geschlossenes Sys­tem voraus, das eigene Rhythmen in sich trägt und in Beziehung zu seiner Umwelt tritt.

 

3. 1 Zeit als ästhetisches Erleben

Wie oben dargelegt wurde, geht das Erleben von Zeit mit sinnlicher Wahrnehmung ein­her. Da Kunst im Zusammenwirken der Erkenntniskräfte erfahren und erlebt wird, kommt dem sinnlichen Erleben und damit verbunden der ästhetischen Erfahrung eine wesentliche Bedeutung zu. Die Sinne sind dabei Vermittler zwischen subjektiver Innen­welt und Außenwelt (vgl. Zirfas 2012, S. 169).

 

Ästhetik bezieht sich nicht nur auf Kunsterleben, sondern auf die gesamte sinnliche Wahrnehmung Entsprechend können ästhetische Erfahrungen bei allen alltäglichen Dingen und Phänomenen gemacht werden. Somit schließt ästhetische Erfahrung neben dem Kunsterleben auch Naturerleben und Alltagsphänomene mit ein (vgl. Waibl 2009, S. 14ff.). Im Gegensatz zu einfachen sinnlichen Wahrnehmungen sind ästhetische Er­fahrungen intrinsisch motiviert. Sie erfüllen weder eine Funktion, noch sind sie ziel- oder handlungsorientiert (vgl. Brandstätter 2012, S. 175). Brandstätter (ebd.) formu­liert: „(...) Sinn und Zweck liegt in der Erfahrung selbst begründet.“ Waibel (2009, S. 16) bezeichnet dies im Sinne Kants als „interessenloses Wohlgefallen“, welches ein „sinnlich-geistiges Lustempfinden“ hervorruft.

 

Voraussetzung einer ästhetischen Erfahrung ist, dass etwas aus unbestimmten Grün­den unsere Aufmerksamkeit erregt und uns genug fasziniert, um uns emotional zu in­volvieren. Dabei gehen ästhetische Prozesse mit dem Gefühl der Überraschung oder Ir­ritation einher. Die Aufmerksamkeit wird aus unbestimmten Gründen auf bestimmte Objekte oder Phänomene gelenkt, da sie unsere bisherige Wahrnehmung irritieren und uns aus dem bisherigen kontinuierlichen Erlebensfluss herausreißen (Diskontinuität). Denn das neu Wahrgenommene ist anders als das bisherige Alltagserleben. Bisweilen ist es auch anders als die bisherige Vorstellung über die Wirklichkeit (vgl. Peez 2005, S. 13ff.; Borg 2012, S.5ff.). Nicht das begriffliche Denken steht hierbei im Vordergrund, vielmehr geht es um Aufmerksamkeit und Wahrnehmungserweiterung. Es geht um eine geschärfte Wahrnehmung, die sich auf die eigenen Gedanken und Empfindungen im Austausch mit der Außenwelt richtet (vgl. Waibl 2009, S. 15f.). Brandstätter (2012, S. 175) bezeichnet diesen Zustand als „Selbstbezüglichkeit“ und beschreibt ihn wie folgt: „In der ästhetischen Wahrnehmung nehmen wir also nicht nur etwas wahr, son­dern wir nehmen den Prozess des Wahrnehmens und auch uns selbst als Wahrneh­mende wahr.“ Nur in dieser Selbstaufmerksamkeit und Selbstreflexion kann sich – in der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand unseres Interesses – die ästhetische Wir­kung entfalten und das Bedürfnis wecken, sich über das Empfundene auszudrücken. Nur durch die Auseinandersetzung mit dem inneren Erleben ist es möglich, sich über das Erlebte verbal oder in anderer Form auszutauschen. Nur wenn man über das Erleb­te kommunizieren kann, spricht man von einer ästhetischen Wirkung. Ohne eine innere Auseinandersetzung mit dem Wahrgenommenen sind wir nicht in der Lage, uns über das Erlebte auszudrücken. In diesem Fall bleibt die ästhetische Erfahrung vorbewusst (vgl. Borg 2012, S. 5f.). Borg (2012, S. 5f.) formuliert: „Fängt man an, diese ästheti­sche Empfindung auf die eigenen Erfahrungen zu beziehen, sich in ein Selbstgespräch zu verwickeln, die Empfindungen zu artikulieren, dann spricht man nach Dietrich u.a. von ästhetischer Wirkung.“

 

Vielleicht hat Andy Goldsworthy beim Betrachten eines Eiszapfens aus unbestimmten Gründen inne gehalten. Vielleicht – beeindruckt von der gläsernen, vergänglichen Schönheit des Materials – hat er angefangen zu assoziieren und sich vorzustellen, dass dies der Zacken eines Sternes ist. In dem er sich solcher oder ähnlicher Gedanken und Empfindungen bewusst ist, ist er im Stadium der Selbstaufmerksamkeit. Es ist davon auszugehen, dass er sich mit seinen inneren Gedanken und der äußeren Wahrneh­mung auseinandergesetzt hat. Somit ist die ästhetische Erfahrung nicht mehr vorbe­wusst zu nennen. Eine ästhetische Wirkung hat eingesetzt, die zum Handeln inspiriert hat und schließlich ihren Ausdruck in der Eisskulptur gefunden hat. Brandstätter (2012, S. 180) fasst den hier beschriebenen Prozess mit folgenden Worten zusammen: „In äs­thetischen Erfahrungen erleben wir uns selbst und die Welt gleichzeitig und werden zu vielfältigen Wechselspielen angeregt: zwischen Sinnlichkeit und Reflexion, zwischen Emotionalität und Vernunft, zwischen Bewusstem und Unbewusstem, zwischen Mate­rialität und Zeichencharakter, zwischen Sagbarem und Unsagbarem, zwischen Be­stimmtem und Unbestimmten.“

 

Ästhetische Erfahrungen können als ein Modus betrachtet werden, sich selbst und die Welt wahrzunehmen, zu erfahren und in Beziehung zu setzen (vgl. Waibl 2009, S. 15; Peez 2005, S. 15). Als „ästhetische Präsenz“, die aufgrund der Selbstbezüglichkeit und intensivierten Wahrnehmung das Zeiterleben verändert. Die messbare objektive Zeit wird unwesentlich (vgl. Brandstätter 2012, S. 176). Brandstätter (ebd.) bezeichnet dies als „Eigenzeitlichkeit“, in der die Zeit gewissermaßen angehalten wird. Im Verweilen kommt dem Erleben von Gegenwart und Augenblick eine entscheidende Rolle zu. Diese Erfahrung entspricht dem Flow. Das Flow-Erleben setzt ein, wenn ästhetische Erfahrun­gen einen so sehr involvieren, dass die Welt um einen herum vergessen wird. Flow be­zeichnet die völlige Selbstversunkenheit in eine Tätigkeit. Dieser Einklang mit sich selbst kann mit Glücksgefühlen einhergehen und so intensiv sein, dass Zeit und Raum vergessen werden (vgl. Meis 2012, S.46; Schaare 1998, S. 222). Das Flow-Erleben fun­giert als Belohnungssytem. Es motiviert dazu, Dinge um ihrer Selbstwillen, unabhängig von Nutzen und Zielsetzung zu tun (vgl. Schaare 1998, S. 222).

 

Neben der Eigenzeitlichkeit kommt ästhetischem Erleben auch eine Eigenräumlichkeit zu, die sich ebenso wie die Eigenzeitlichkeit „aus der Idee des Selbstzwecks und der Selbstbezüglichkeit ästhetischer Wahrnehmung ergeben.“ (Brandstätter 2012, S. 177) Denn bei ästhetischen Erfahrungen werden Räume eröffnet, die sich von den fakti­schen Räumen unterscheiden und die man imaginativ betritt. Brandstätter weist darauf hin, dass diese „Loslösung von der Bindung an äußere Zwecke und reflexive Bezugnah­me auf sich selbst“ dazu führt, dass Zeit-Räume mit eigenen Gesetzlichkeiten geschaf­fen werden (vgl. Brandstätter 2012, S. 176f.).

 

Ebenso wie auf der ereignisästhetischen und der produktionsästhetischen Ebene ästhe­tische Erfahrungen gemacht werden können, ist dies auch auf der rezeptionsästheti­schen Ebene möglich. Um das obige Beispiel aufzugreifen: Andy Goldsworthys Kunst ist vergänglich. Sie thematisiert und befragt die Zeitlichkeit. Dies ist in Thomas Riedelshei­mers Film Rivers and Tides (2000) anschaulich zu sehen. Dabei stehen im Falle der Eisskulpturen die temperaturabhängigen Materialeigenschaften von Wasser verbunden mit der Frage nach dem Verrinnen von Zeit und der Vergänglichkeit im Vordergrund (vgl. Böhm 2002, S. 241). Beispielsweise hält man beim Betrachten von Andy Goldwor­thys Stern aus Eis inne - aus reiner Lust am Schönen. Im Verweilen und Genießen kön­nen Andy Goldworthys Arbeiten nicht nur die Zeit stillstehen lassen. Sie können auch zum Nachdenken über die Eigenzeitlichkeit des Materials und die eigene Vergänglich­keit anregen. Sie regen vielleicht sogar dazu an, das Leben und die Umwelt bewusster wahrzunehmen oder selbst kreativ mit den Begebenheiten, die einen umgeben, um­zugehen.

 

3. 2 Zeit in der Bildenden Kunst

Wie dargelegt wurde, ist Zeit sowohl auf ereignisästhetischer, als auch auf produktions­ästhetischer und rezeptionsästhetischer Ebene erfahrbar. Entsprechend ist das in den Kunstwissenschaften diskutierte Zeitproblem der Bildenden Kunst und die damit ver­bundene Einteilung in Raum- und Zeitkünste für Kunstschaffende in dieser Konsequenz nicht selbstverständlich und nachvollziehbar (vgl. Dittmann 1969, S. 51f.). Dittmann (ebd.) führt unter anderem Paul Klee an, der die Debatte als „gelehrten Wahn“ be­zeichnet. Klee formuliert: „In Lessings Laokoon, an dem wir einmal jugendliche Denk­versuche verzettelten, wird viel Wesens aus dem Unterschied von zeitlicher und räumli­cher Kunst gemacht. Und bei genauerem Zusehen ist`s doch nur gelehrter Wahn. Denn auch der Raum ist ein zeitlicher Begriff. - Wenn ein Punkt Bewegung und Linie wird, so erfordert das Zeit. Ebenso, wenn sich eine Linie zur Fläche verschiebt. Desglei­chen die Bewegung von Flächen zu Räumen. - Entsteht vielleicht ein Bildwerk auf ein­mal? Nein, es wird Stück für Stück aufgebaut, nicht anders als ein Haus. - Und der Be­schauer, wird er auf einmal fertig mit dem Werk? (Leider oft ja.) - Sagt nicht Feuer­bach, zum Verstehen eines Bildes gehöre ein Stuhl? Wozu der Stuhl? Damit die ermü­denden Beine den Geist nicht stören. Beine werden müde vom langen Stehen. Also Spielraum: Zeit. Charakter: Bewegung. Zeitlos ist nur der an sich tote Punkt … Auch das Kunstwerk ist in erster Linie Genesis, niemals wird es rein als Produkt erlebt. - Ein gewisses Feuer, zu werden, lebt auf, leitet sich durch die Hand weiter, strömt auf die Tafel und auf der Tafel, springt als Funke, den Kreis schließend, woher es kam: zurück ins Auge und weiter (zurück in ein Zentrum der Bewegung, des Wollens, der Idee). Auch des Beschauers wesentliche Tätigkeit ist zeitlich. Das Auge ist so eingerichtet, es bringt Teil für Teil in die Sehgrube, und um sich auf ein neues Stück einzustellen, muß es das alte verlassen … Dem gleich einem weidenden Tier abtastenden Auge des Be­schauers sind im Kunstwerk Wege eingerichtet … Das bildnerische Werk entstand aus der Bewegung, ist selber festgelegte Bewegung und wird aufgenommen in der Bewe­gung (Augenmuskeln)“.

 

Im Gegensatz zu ästhetischen Erfahrungen, die bei Alltagsphänomenen oder Naturer­fahrungen meist zufällig erfahren werden, werden ästhetischen Erfahrungen bei Kunst­werken bewusst von Künstlern initiiert, denn Künstler setzten sich bewusst mit einer Fragestellung, einem Thema und dem Material auseinander (vgl. Meis 2012, S. 27). Ei­nem kreativen Schaffensprozess geht eine Idee oder Frage voraus. Diesbezüglich setzt ein themenbezogener Sammelprozess ein, indem man sich mit weiteren Ideen und Möglichkeiten auseinander setzt (vgl. Meis 2012, S. 44f.).

 

Künstlerisches Arbeiten und Forschen ist ein transformativer Gestaltungsprozess, bei dem etwas Drittes entsteht, dem in der Reflexion Evidenz zuerkannt wird. Der künstle­rische Forschungsprozess findet in Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst, seiner Umwelt und dem Material statt. Dieser Auseinandersetzungsprozess ist von indi­viduellen Erfahrungen und der subjektiven Weltsicht des Künstlers geprägt. Aufgrund der denkenden und reflektierenden Auseinandersetzung, kann nicht von einer bloßen Handlung gesprochen werden. Künstler agieren nicht nur, sondern reagieren auf das, was vor ihnen liegt. Im Akt des Gestaltens wird die Welt als Gegenüber erfahren. Es findet eine Interaktion zwischen Kunstschaffenden, Umwelt und Material statt (vgl. Siegmund 2015, S. 140f.). Der Gestaltungsprozess gliedert sich nach Henri Poincaré in vier verschiedene Phasen. Zunächst wird ein Problem bzw. eine Fragestellung formuliert. In dieser Vorbereitungsphase wird überprüft, ob und wie das Problem – auf Grundlage bisheriger Erfahrungen und Wissen – gelöst werden kann. Es folgt eine in­tensive Auseinandersetzung mit dem Thema. Diese Inkubationsphase geht vielfach mit Krisen einher, da das Problem unlösbar scheint, aber auch mit Hochgefühlen im Flow-Erleben. Dann setzt die Phase der Erleuchtung ein. Das Problem wird lösbar. Schließlich wird in der Verifikationsphase die gefundene Lösung auf Brauchbarkeit überprüft und gegebenenfalls ausgearbeitet oder verfeinert (vgl. Ullmann 2012, S. 161f.). Dieser Pro­zess, der unter anderem aus recherchieren, denken, reflektieren, arrangieren, experi­mentieren, installieren, formieren und ausstellen besteht (vgl. Badura/Dubach/Haar­mann/Mersch/Rey/Schenker/Toro Pérez 2015), braucht – wie schon Klee formulierte – Zeit.

 

Die Kunstwerke fungieren dabei als Modelle für Zeit. Modelle dienen der anschaulichen Darstellung. Sie stellen komplexe Forschungsgegenstände vereinfacht dar. Mit Hilfe ei­nes Modells bzw. Kunstwerks kann das komplexe, abstrakte und nicht beobachtbare Phänomen Zeit nicht nur anschaulich, sondern auch vereinfacht dargestellt werden, in­dem auf bestimmte Aspekte oder Eigenschaften des Phänomens Zeit verwiesen wird. So können künstlerische Arbeiten als: 1. Modelle der Zeitmessung und Zeitrechnung, 2. Modelle Natürlicher Zeitabläufe, 3. Modelle der Gleichzeitigkeit, 4. Modelle der Le­benszeit, 5. Modelle Historischer Zeit und 6. Modelle Erlebter Zeit fungieren.

 

Kunstwerke wollen somit ein Phänomen begreifbar machen und die Gedanken des Künstlers zum Ausdruck bringen. Indem sie bestimmte Aspekte des Phänomens Zeit vi­sualisieren, können sie zu einem Erkenntnisgewinn über Zeit beitragen (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 31ff.).

 

Vor dem Hintergrund, dass Zeit auch als imaginäres Zeitmaß gedacht und im Prozess des Schaffens und Betrachtens erfahren werden kann – da die einzelnen Elemente (in­nerhalb des Werkes bzw. in der Werk-Künstler-Betrachter-Relation) in einer bestimmten Konstellation zueinander stehen – ist Zeit mit ihren verschiedenen Facetten Thema für bildende Künstler. Entsprechend formuliert Pochat (1999, S. 9): „In der bildenden Kunst gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, dem Aspekt Zeit Rechnung zu tragen: die einfache Bewegungsdarstellung; der erzählerische Bezug zwischen den Figuren in ei­nem Bild; die ikonographische Darstellung der Zeit und alle Aspekte, die sich daraus er­geben; die Negation der Zeit im Bild; das Symbol der Ewigkeit; der endlose Kreislauf in der Natur; die zyklischen Prozesse in der Natur; die Jahreszeiten, Lebensalter, Jugend, Tod und Vergänglichkeit; die Gliederung der historischen Zeit; die Epochen, der Schöp­fungsmythos und die Frage nach dem göttlichen Heilsplan; die historische Gegenwart und ihr Verhältnis zu den vergangenen Epochen; die Entdeckung des Erdzeitalters im Lichte der Naturwissenschaften und seine Auswirkungen in der Landschaftsmalerei; und last, but not least die zentrale Frage nach der Erlebniszeit des Betrachters selbst, der vor dem Bild angehalten wird, selbst über die Rolle der Zeit in der Natur, im Leben und in der Geschichte zu reflektieren.“

 

Ebenso wie jedem Menschen eine Eigenzeit zugesprochen wird, so hat auch jedes Kunstwerk seine Eigenzeit. Es wird geschaffen, es ist nach der Fertigstellung zu be­trachten und es unterliegt der Zeitlichkeit. Dabei sind Kunstwerke nicht losgelöst von der Umwelt zu sehen. Sie entstehen zu einer bestimmten Zeit in einem zeitgeschichtli­chen Kontext (vgl. Rohsmann 1999, S. 387). Wie schon Danto unter Betrachtung von Andy Warhols Brillo Box (Soap Pads) (1964) feststellte, bedarf es Kenntnisse über den Kontext, in den ein Kunstwerk gestellt wird. Nach Danto unterscheiden sich Kunstwerke von Dingen, indem sie Aussagen über etwas treffen. Anhand ihrer Aussagefähigkeit grenzen sich Kunstwerke von gewöhnlichen Dingen ab. Um ein Kunstwerk richtig ein­ordnen und verstehen zu können, bedarf es folglich Kenntnisse über den (kunst-)ge­schichtlichen Zusammenhang, in dem es entstanden und zu sehen ist (vgl. Hauskeller 1998, S. 100ff.). Entsprechend folgt ein kurzer Einblick in die Kunstentwicklung seit der Moderne unter Betrachtung medialer Eigenheiten.

 

4 Beispiele aus der Bildenden Kunst unter Betrachtung medialer Eigenheiten

Mit den Avantgarde-Bewegungen Anfang des 20sten Jahrhunderts fand zunehmend eine Erneuerung des Kunstbegriffes statt. Wesensmerkmal der klassischen Moderne ist, dass sie sich von den Traditionen löst und künstlerische Konventionen in Frage stellt (vgl. Argan 1990, S. 23f.). Es geht nicht mehr darum, Kunst nachahmend abzubilden oder narrative Bildinhalte zu vermitteln. Die Kunst wird zunehmend ungegenständlich und abstrakt. Statt abzubilden wird sie selbst zum realen Objekt (vgl. Argan 1990, S. 45). Experimente mit bildtechnischen Darstellungsformen prägen die unterschiedlichen Stilrichtungen des 20sten Jahrhunderts. Es kommt zu einer Fülle verschiedenartiger Darstellungsformen und Stile bis hin zum Stilpluralismus (vgl. Richter 1998, S. 8). Da die Übergänge von der klassischen Moderne hin zur zeitgenössischen Kunst fließend sind und zeitgenössische Künstler vielfach auf Techniken der Moderne zurückgreifen oder sie fortentwickeln (vgl. Brockhaus 1983, S. 659), wird zunächst kurz auf die me­dialen Darstellungsmöglichkeiten seit der Moderne eingegangen, die für die bildkünst­lerische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Zeit relevant sein könnten.

 

Mit dem Kubismus rückt die Demonstration bildnerischer Probleme und Fragestellungen in den Vordergrund, sodass die Bedingungen der Darstellung selbst zum Thema wer­den. Nicht der ikonographische Bildinhalt ist maßgeblich, sondern die Zerlegung eines Objekts in geometrische Formen (vgl. Argan 1990, S. 176). Statt einer zentralperspektivischen Darstellung werden Bildgegenstände von verschiedenen An­sichten aus zusammenprojiziert. Durch diese Mehransichtigkeit kommt ein Bewegungs­moment hinzu (vgl. Argan 1990, S. 176). Die Polyfokalität (Mehransichtigkeit) vereint nicht nur die verschiedenen Momentansichten zu einem Bildmotiv, sondern sie setzt den Betrachter auch in eine imaginäre Bewegung, denn mit Aufhebung der Zentralper­spektive ist kein fester Standpunkt mehr vorgegeben. Der Blick des Betrachters wan­dert im Bild umher. Erst im Bewusstsein des Betrachters setzen sich die einzelnen, aus unterschiedlichen Perspektiven zusammengestellten Facetten zu einem umfassenden Motiv zusammen (vgl. Aab 2014, S. 62). Mit der Simultanperspektive des Kubismus wird das ungleichzeitig gesehene vergleichzeitigt (vgl. Rohsmann 1999, S. 396).

 

Der Futurismus greift die Formsprache des Kubismus auf, auch wenn er sich grundle­gend vom Kubismus unterscheidet. Der Futurismus will nicht nur den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt widerspiegeln, sondern auch Kunst und Gesellschaft erneuern. Der Futurismus ist nicht nur Manifestkunst, in der Maler und Bildhauer ihre Vorstellung von Kunst dargelegt haben. Er wird auch von zahlreichen, Aktionen und ge­meinsamen agitatorischen Veranstaltungen begleitet, die durch faschistische und ideo­logisch-anarchische Inhalte provozieren. Dabei stehen die Akteure im unmittelbaren Austausch mit dem Publikum (vgl. Mautner Markof 1985, S. 169f.). Im Gegensatz zum Kubismus thematisiert der Futurismus das Phänomen Zeit – im Sinne von Bewegung – ausdrücklich. Fasziniert von den technischen Neuerungen und der Geschwindigkeit ver­suchen futuristische Maler mit abstrahierten Bildkompositionen dynamische Bewe­gungsverläufe und Simultanität (Gleichzeitigkeit) darzustellen (vgl. Argan 1990, S. 192ff.). Richter (1998, S. 59) formuliert zusammenfassend: „Durch die Simultaneität und wechselseitige Durchdringung aller zu einem Motiv gehörenden Dinge und Ereig­nisse tritt zu den drei bekannten räumlichen Dimensionen als vierte Dimension die Zeit hinzu.“ Dabei kann Bewegung als absolute Bewegung in Form von »Kraftlinien« (Zick-Zack-Linien, Wellenlinien) oder als relative Bewegung dargestellt werden. Relative Be­wegung wird durch aufeinanderfolgende Bewegungsphasen visualisiert oder der Bewe­gungsablauf erscheint in all seinen Fragmenten zugleich, als ineinander kopierte Bewe­gungseinheit (vgl. Richter 1998, S. 59). In dieser Hinsicht waren die Darstellungen der Futuristen von den Phasendarstellungen der Chronofotografie inspiriert. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden Bewegungsabläufe mit Hilfe der Chronofotografie in ein­zelne Bewegungsfragmente aufgesplittet und in Reihenmomentaufnahmen festgehal­ten. Auch wenn es methodische Parallelen zwischen Chronofotografie und den Phasen­darstellungen der Futuristen gibt, so galt das Interesse von Eadweard Muybridge, Eti­enne-Jules Marey und Thomas Eakins jedoch vor allem einer kinematografische Analy­se der Bewegungsabläufe (vgl. Rohsmann 1999, S. 394; Baudson 1985, S. 161ff.). Der Unterschied zu den fotografischen Experimenten besteht vor allem darin, nicht nur die einzelnen Phasen einer Bewegung darzustellen, sondern eine Stimmung zu vermitteln (vgl. Lucie-Smith 1999, S. 94).

 

Um auf einem statischen Bildträger Zeit als Bewegung durch die Art der Darstellung mit zu vermitteln, werden Momentausschnitte eines Ablaufs gewählt und neben, über oder aneinander montiert. Dabei treten die Bildinhalte in den Hintergrund. Wesentlich ist die Zerlegung eines Bewegungsablaufes in seine Einzelheiten und die Art der Monta­ge selbst. Der Bildinhalt dient vorrangig der Vermittlung eines Bewegungsablaufes und somit der Darstellung von Zeit (vgl. Rohsmann 1999, S. 393). Rohsmann (1999, S. 393) formuliert: „Bei der Zerlegung eines Geschehens in einzelne Ereignisse war Zeit mitvermittelt worden; etwa zeitgleich wurden die Inhalte benutzt, um den Ablauf oder die Geschwindigkeit zu vermitteln. Dabei wurden die Inhalte relativ entwertet.“ Mit der Phasenmontage trifft Gotthold Ephraim Lessings Theorie des „fruchtbaren Augenblicks“ zunehmend nicht mehr zu, denn hier muss das „Vorher und Nachher“ nicht mehr aus dem prägnanten, „fruchtbaren Augenblick“ erschlossen werden, da das „Vorher und Nachher“ zugleich in ihr gegenwärtig sind (vgl. Rohsmann 1999, S. 396).

 

Die Methoden des Surrealismus eröffnen zudem weitere Möglichkeiten. Um das Unbe­wusste und Übernatürliche auszudrücken, sind Techniken entwickelt worden, die das Denken weitestgehend ausblenden sollen. Um die Entscheidungszeit zu minimieren ist beispielsweise die Dauer des Malaktes verkürzt worden oder Teile der Produktion wur­den an kunstfremde Instanzen delegiert. Der Zufall wird wesentlich, denn wenn der Künstler einen Vorgang in Gang gesetzt hat, kann er nicht mehr entscheidend eingrei­fen. Ziel ist es, dass Künstler selbst möglichst keinen willentlichen Einfluss auf die Form nehmen. Das Werk entsteht und entwickelt sich aufgrund der Konzeption des Vorgangs und aufgrund der medialen bzw. materiellen Eigenschaften (vgl. Rohsmann 1999, S. 398f.). Beispielsweise experimentierte Max Ernst mit automatischen Techniken, die auf alltäglichen mechanischen Tätigkeiten beruhen. Hierzu zählen: Reiben (Frottage), Krat­zen oder Schaben (Grattage) und das zufällige tropfen lassen einer flüssigen Farbe auf eine Unterlage (Dripping) (vgl. Argan 1990, S.49). Auch die Sandbilder (um 1927) von André Masson sind als Versuch der Automatisierung des künstlerischen Prozesses zu verstehen (vgl. Rohsmann 1999, S. 399; Argan 1990, S. 249). Masson verteilte in sei­nen Sandbildern willkürlich Leim auf dem Bildträger. Darüber geschütteter Sand blieb an dem klebrigen Untergrund haften (vgl. Argan 1990, S.249). Das Interesse der Künstler richtet sich zunehmend auf das gegenwärtige Geschehen auf der Produktions­ebene, so dass Zeit als Ereigniszeit bzw. Erlebniszeit zum Thema wird (vgl. Rohsmann 1999, S.398).

 

Im psychischen Automatismus der 1920er Jahre sind die theoretischen Ansätze des Ac­tion Painting begründet. Malerei wird zum spontanen Ausdruck momentaner Emotio­nen. Dabei kann die Bildentstehung als intensiv erlebte Zeit begriffen werden, bei der sich das Bild im realen Raum in realer Zeit entwickelt (vgl. Jochimsen 1985, S. 221). Die von Max Ernst entwickelte Technik des Dripping ist von Jackson Pollock aufgegrif­fen worden (vgl. Argan 1990, S. 49). Das Drip Painting wurde zu Pollocks ständiger Malmethode, bei der er blitzschnell Farben auf den Malgrund schleuderte, tropfte, spritzte oder schüttete (vgl. Richter 1998, S. 184f.). Beim Action-Painting wird die Lein­wand zum Aktionsfeld der Handlung. Der Malakt selbst steht im Vordergrund. Das Kunstwerk wird hingegen als „vergängliche Spur der eigenen Existenz betrachtet.“ (Paflik-Huber 1997, S. 29) Die auf der Leinwand hinterlassene Farbspur verweist auf den künstlerischen Prozess und die damit verbundene Zeit (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 31). Die Gegenwart ist somit auf die Dauer des Arbeitsprozesses beschränkt (vgl. Rohsmann 1999, S. 401).

 

Freie Aktionen im realen Raum, in der Kunstzeit als Lebenszeit betrachtet wird, sind auch Mittel und Thema von Happening und Fluxus. Nicht nur werden Malerei, Skulptur und Objet trouvé zu raumumfassenden Environments arrangiert, in denen auch der Umraum miteinbezogen wird. Künstler, wie beispielsweise Allan Kaprow, beziehen so­gar den Betrachter als ein sich im Werk bewegenden Menschen bewusst in ihre Arbeit mit ein. Im Happening wird der Bildraum zum Aktionsraum. Nicht das materielle End­produkt steht im Vordergrund, sondern das Ereignis wird als Stück gelebte (biografi­sche) Zeit wesentlich. Somit wird im Sinne von: Kunst ist Leben bzw. Leben ist Kunst „alltägliches Verhalten von Künstlern und mitwirkenden Betrachtern“ zu Kunst erklärt (vgl. Jochimsen 1985, S. 221f.). Beuys entwickelte den – schon von den Avantgarde-Bewegungen entwickelten – Gedanken, Kunst und Leben zu vereinen fort. Er erweitert mit seiner Idee der sozialen Plastik den Kunstbegriff (vgl. Jochimsen 1985, S. 222).

 

In diesem Zusammenhang ist auch die seit Anfang der 1960er Jahre aufkommende Mail Art zu verstehen. Mail Art basiert auf der Idee des erweiterten Kunstbegriffs. Sie bezeichnet eine insbesondere von Fluxus und Happening-Künstlern verwendete künst­lerische Kommunikationsform, die dem Austausch künstlerischer Ideen und der Ver­breitung neuer Ideen dient. Der Umgang mit dem postalischen Medium kann dabei durchaus spielerisch und experimentell sein (Lexikon der Kunst. Band IV 1992, S. 469f.). Die Kommunikation per Post benötigt Zeit. Die Zeit des Zusendens, die Zeit des Schreibens oder Gestaltens und die Zeit des Wartens. Dokumentiert ist der zurückge­legte Weg durch den Poststempel.

 

In Prozess- und Aktionskünsten, wie auch der kinetischen Kunst finden die dargestell­ten Prozesse und Aktionen im gegenwärtigen Zeitpunkt statt. Es sind somit Realzeitsys­teme, in denen das Geschehen und die Rezeption zeitgleich stattfinden. Der Vorgang selbst wird zum Thema und sogar zum eigentlichen Werk, welches durch den Künstler demonstriert wird. Es wird kein abgeschlossenes, feststehendes Werk gezeigt, denn die dargestellten Prozesse und Aktionen entfalten sich während des Vermittlungsvorgangs. Der Zeitraum der Aktion bzw. des Prozesses ist durch den Künstler vorgegeben. Da der Künstler selbst Trägermedium ist, kann er während des Vorgangs handelnd eingreifen und die Aktion steuern. Er kann selektieren bzw. den Vorgang raffen oder dehnen (vgl. Rohsmann 1999, S. 401).

 

Dem Künstler Klaus Rinke geht es dabei in seinen Primärdemonstrationen (ab 1969) um die „psychologischen Wechselwirkungen zwischen dem Bewegungs-, dem Raum- und Zeitbewusstsein.“ (Jochimsen 1985, S. 223) Durch die Veranschaulichung einfa­cher Körperbewegungen oder einfacher Vorgänge, wie beispielsweise das Umstoßen ei­nes 250 Liter Wasser umfassenden Fasses – Ein Fass Wasser (250 Liter) wird umge­stossen (1970) –, wird Raum als Zeitraum vermittelt und erfahrbar (vgl. ebd.). In der Performance Atlantis – Vorführung. So tief wie möglich / As deep es possible (1975) taucht Klaus Rinke solange in einer bis obenhin mit Wasser gefüllten Tonne unter, bis der letzte Zuschauer den Ort der Aktion verlassen hat. Während der Aktion atmet er durch einen für das Publikum unsichtbaren Schlauch. Auf der Rezeptionsebene wird hier Dauer bzw. Zeitdehnung im Warten erfahrbar. Denn aufgrund der nicht sichtbaren Atemhilfe wird vom Betrachter Atemnot erwartet (vgl. Rohsmann 1999, S. 401 u. S. 442). Rohsmann (1999, S. 442) formuliert: „Die Bewertung der Dauer ändert sich, wenn diese vom gespannten Erwarten in die Aktionsleere, das heißt ungegliederte Zeit, umschlägt.“

 

Nach Jochimsen (1985, S. 232f.) kann das Erleben von Zeit einerseits durch „minimale, kontinuierliche Handlungen“ vermittelt werden oder „durch energetische Prozesse bis zur psychischen und physischen Verausgabung des Künstlers“. Jochimsen (1985, S. 233) führt Bruce Nauman an, der konsequent und ernsthaft seinen auferlegten Be­wegungsabläufen bis zur Erschöpfung folgt. Sie formuliert (ebd.): „Bruce Nauman reali­sierte 1969 fünf Stücke (Revolving upside down, pacing upside down, walking in con­traposto, bouncing in a corner und lip sync), die sich durch das ständige Wiederholen banaler Handlungen, wie sie aus dem Titel ablesbar sind, auszeichnen. (…) Wichtig für Nauman ist die Ernsthaftigkeit des Beharrens auf jeder einzelnen Bewegung. Zeiterle­ben kann durch den mit dem Fortdauern der Handlung sich steigernden Verbrauch von physischer und psychischer Energie bis zur Unerträglichkeit verstärkt werden.“

 

Marina Abramović saß dagegen in ihrer Performance The Artist Is Present (2010) drei Monate lang fast bewegungslos auf einem Stuhl. Während ihrer Ausstellung im MoMa saß sie sechs Tage die Woche für sieben Stunden auf einem Stuhl an einem Tisch. Ihr gegenüber konnten Ausstellungsbesucher Platz nehmen und mit ihr in stumme Interak­tion treten. Auch wenn im Grunde nichts passiert, ist jeder Moment und jede Begeg­nung anders. In ihren Performances geht es Marina Abramović vor allem um einen Be­wusstseinszustand (vgl. Akers 2012). Ziel ist es, durch das Erleben von Zeitlosigkeit zu einem „»reinen« Zeiterlebnis zu gelangen“ (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 252 u. S. 269). Auch in Abramovićs Arbeiten wird Zeit unter dem Aspekt Zeiterleben thematisiert (vgl. ebd.).

 

Künstler delegieren bisweilen Handlungen an die Rezipienten, die somit zugleich Teil des Werkes werden. Beispielsweise gibt Franz Erhard Walther in Ort Zeit Innen Außen (Nr. 37, 1. Werksatz) (1969) dem Rezipienten eine Aktion vor, die dieser dann in der Gegenwart strukturiert und ausführt (vgl. Rohsmann 1999, S. 452). In diesem Beispiel lautet die Anweisung: „Arbeitstag: 8 Stunden vor dem Vierecksitzen / nach jeder Stun­de die Entscheidung / ein Stück Zucker / essen / oder mit der Flagge winken.“ (Rohs­mann 1999, S. 452) Die Werkzeit wird eins mit der Aktion (vgl. Rohsmann 1999, S.161 u. S.452). Bei Franz Erhard Walthers Werksätzen geht es um das Ermöglichen von Zei­terfahrung. Zeit wird als psychologischer Bewusstseinsvorgang erforscht (vgl. Jochim­sen 1985, S. 223).­

 

Auch Substanzen werden zum Trägermedium für zeitliche Prozesse. Sie agieren statt des Künstlers (vgl. Jochimsen 1985, S. 225). So wird unter anderem auch Wasser mit seinen unterschiedlichen Aggregatzuständen zum künstlerischen Material. Der Konden­sationswürfel (1963-1965) von Hans Haacke ist in diesem Zusammenhang beispielhaft zu nennen. Es handelt sich dabei um ein in sich geschlossenes Realzeitsystem. Der Kondensationswürfel besteht aus Glas oder Plexiglas und nimmt in Breite, Länge und Höhe 25cm ein (vgl. Rohsmann 1999, S. 450). Gefüllt ist der gläserne Würfel mit de­stilliertem Wasser. In Wechselwirkung zu den vorherrschenden Außenbedingungen ver­dampft das Wasser oder bildet Tropfen, die ab einer bestimmten Größe die durchsichti­gen Scheiben herunterlaufen und dabei ihre Spuren hinterlassen. Die Dauer des hier vi­sualisierten physikalischen Prozesses ist abhängig von Außentemperatur, Lichteinfall und Luftströmung. Somit stellt die Arbeit eine Analogie zu lebendigen Organismen dar, die sich in steter Wechselwirkung mit der Umwelt verändern. Nur über die Dauer eines längeren Zeitraums sind die Veränderungen und die Bildung neuer Spuren beobachtbar (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 115ff.). Hans Haackes Arbeit basiert auf dem Bewusstsein, dass die Welt ein „großangelegtes System (...), das sich in Kategorien einteilen läßt“, ist (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 101). Die verschiedenen biologischen, chemischen, physi­kalischen Prozesse dieses Systems stehen dabei in Wechselwirkung zueinander (vgl. Paflik-Huber 1997, S.101; S. 122). Hans Haacke visualisiert mit dem Kondensations­würfel einen stetig fortlaufenden, zyklischen Prozess in einem geschlossenen System. Paflik-Huber (1997, S. 122) formuliert: „Die Realzeitlichkeit erfordert vom Betrachter Geduld. Um sich diese Zeitprozesse zu verdeutlichen, muß man zu verschiedenen Zei­ten das Objekt immer wieder betrachten. Dabei dienen die vergangenen, abgelaufenen Prozesse als Erinnerungsspuren und werden mit den neusten Beobachtungen vergli­chen.“ Als zirkulärer Prozess hat dieser Vorgang kein Ende (vgl. Rohsmann 1999, S. 401; Paflik-Huber 1997, S. 122). Zugleich wird das Verrinnen der Zeit demonstriert (vgl. Böhm 2002, S.241; Paflik-Huber 1997, S. 122), denn jeder Prozess wird von einem An­fang und einem Ende bestimmt. Somit verweist Hans Haackes Arbeit auf das Werden und Vergehen, bzw. Geburt und Tod lebendiger Organismen (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 123).

 

Im Fokus der Kinetik steht die Bewegung, also Zeit als zeitlicher Ablauf. Die Künstler nutzen hierfür unter anderem optische Effekte oder magnetische und elektronische Be­wegungskräfte bzw. Motoren. Einige Objekte werden, wie Alexander Calders Mobiles, auch durch Wind oder andere Naturkräfte in Bewegung versetzt (vgl. Lucie-Smith 1999, S. 281; Paflik-Huber 1997, S. 29). Rohsmann (1999, S. 401) merkt an, dass bei kinetischen Kunstwerken zwar vor allem die Aufhebung der skulpturalen Statik im Vor­dergrund des Interesses steht, doch auch bei kinetischen Kunstwerken werden vom Künstler vorgegebenen Vorgänge in Echtzeit zum Zeitpunkt der Rezeption realisiert, so­dass auch die kinetische Kunst als Realzeitsystem zu betrachten ist. Bewegliche Plasti­ken stellen Vorgänge bzw. Veränderungsprozesse in Zeit und Raum zum Rezeptions­zeitpunkt dar oder visualisieren lineare Vorgänge innerhalb eines Zeitintervalls. Im Ge­gensatz zur Aktionskunst kann der Künstler zum Rezeptionszeitpunkt jedoch nicht mehr in den Vorgang eingreifen (ebd.). In diesem Zusammenhang ist beispielsweise Jean Tinguelys kinetische Skulptur Hommage à New York (1960) zu nennen. Die vorwiegend aus Schrottteilen bestehende Maschine, war zunächst Teil einer Performance. Dabei war sie so konzipiert, dass sie sich während einer öffentlichen Aufführung selbst zer­störte und somit im Grunde ihre Eigenzeitlichkeit im Spannungsfeld von Augenblick und Dauer demonstriert hat (vgl. Lucie-Smith 1999, S. 280).

 

Realzeitfilme bilden eine Ausnahme in den künstlerischen Realzeitsystemen. Da Real­zeitfilme ohne Schnitt auskommen, wird einerseits ein Vorgang in Echtzeit dargestellt. Andererseits ist der Vorgang zum Rezeptionszeitraum schon abgeschlossen. Der Rezipi­ent erlebt in der konservierten Form des Films die tatsächliche Dauer eines vergange­nen Vorgangs nach (vgl. Rohsmann 1999, S. 401). Ein Realzeitfilm ist beispielsweise das Video Standard Time (2009) von Mark Formanek. Mehrere Arbeiter bauen in wech­selnden Schichten über einen Zeitraum von 24 Stunden das Zifferndisplay einer Digital­uhr nach. Dabei entspricht die 4 x 12 Meter große Zeitanzeige fortlaufend der tatsächli­chen Uhrzeit (vgl. Orthmann 2016 , S. 44). In diesem Zusammenhang ist auch die Vi­deoinstallation For Beginners (all the combinations of the thumb and fingers) (2010) von Bruce Nauman zu nennen, die von Oktober 2016 bis Januar 2017 in der Ausstel­lung dancing with myself im Museum Folkwang zu sehen war. Die Videoinstallation ist horizontal zweigeteilt. Im oberen Teil ist ein Handpaar vor weißem Hintergrund zu se­hen. Die Finger nach oben gestreckt und die Handinnenflächen dem Betrachter zuge­wandt. Im unteren Teil ist das Handpaar vor schwarzem Hintergrund zu sehen – im Grunde spiegelverkehrt. Doch die Hände spiegeln sich nicht. Jedes Handpaar führt an­dere Bewegungen aus. Die Videoinstallation ist als Versuchsanordnung zu verstehen, wie sie Nauman schon in den 1960er Jahren durchführte. Welche Bewegung ausge­führt wird, wird durch eine Stimme aus dem Off vorgegeben. Einerseits zeigt die Vi­deoinstallation die Dauer des Vorgangs. Andererseits zeigt sie den Augenblick. Denn dieser kommt in dem Moment zur Geltung, in dem die gesprochene Handlungsanwei­sung realisiert wird.

 

Die Konzeptkunst stellt das Konzept in den Vordergrund. Bei der Konzeptkunst ist die Ausführung bzw. materielle Verdinglichung des Kunstwerkes zweitrangig. Wesentlich sind die in Form von Plänen, Skizzen, Texten oder Künstlerbüchern dokumentierten Ideen, die den Entstehungsprozess nachvollziehbar vor Augen führen (vgl. Jahn/Lieb 2015, S. 457; Der Kunst Brockhaus. Band 2 1987, S. 268f.). Ziel ist es, nicht nur das Denken der Künstler offen zu legen, sondern durch die Zusammenstellung der – in Form von Fotos und Aufzeichnungen festgehaltenen – Ideen und Konzepte den Be­trachter zum schöpferischen Denken anzuregen (vgl. Der Kunst Brockhaus. Band 2 1987, S. 268f.). Denn: „der Rezipient wird aufgefordert, den Entstehungsprozess mit zu verfolgen und nachzuvollziehen“ (Jahn/Lieb 2015, S. 457). Somit sind die Werke als Diskurs- oder Imaginationsvorgaben zu betrachten. Die Realisierung von Zeit entsteht dabei im Betrachter selbst (vgl. Rohsmann 1999, S. 401f.). Das Werk der Konzept­künstlerin Hanne Darboven setzt sich beispielsweise mit dem Phänomen Zeit auseinan­der. Dabei folgt sie dem Grundsatz: „Schreiben ist Zeit“ (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 90). Darbovens Installation Bismarkzeit (1978) besteht aus 917 Papierbögen der Größe DIN A3. Dicht gedrängt füllen die gerahmten Bögen die Wände der Ausstellungshalle in Breite und Höhe. Die numerisch angeordneten Papierarbeiten sind mit Tinte beschrie­ben und mit Datumsrechnungen versehen. Sie ergeben eine zusammengehörende Ein­heit und werden durch eine Bronzestatue, die Bismarck mit seinem Hund darstellt, er­gänzt (vgl. Adam 2015). Darbovens Installation basiert auf Recherche und ist wie eine wissenschaftliche Arbeit aufgebaut (vgl. Bippus, 2011). Sie zitiert Gedichte und Sacht­exte, verwendet Zeittafeln und Fotografien. Durch die Auswahl und Anordnung stellt sie diese in neue Zusammenhänge. Zudem ist die Arbeit durchzogen von einer nicht lesbaren Wellenschrift. Neben dem Schreiben (Zitate und Wellenschrift) enthält die Ar­beit auch eine selbst entwickelte Datumsrechnung (die K-Rechnung), auf deren Grund­lage die systematische Anordnung der Blätter erfolgt (vgl. Adam, 2015 u. Bippus, 2011). Zeit wird hier im Akt des Betrachtens realisiert. Dabei vermittelt sich Zeit auf drei Ebenen: 1. Zeit als (Zeit-)Geschichte, 2. Zeit als physikalischer Akt des Schreibens und 3. Zeit als mathematischer Faktor (vgl. Enwezor/Wolfs 2015, S. 13).

 

Während Darboven durch stetes Schreiben Lebenszeit konserviert, sammelt Christian Boltanski Gegenstände und Erinnerungen aus seiner Kindheit. Im Gegensatz zu den reinen Gedankenspielen der Konzeptkunst werden persönliche Bezüge nicht gemieden. Vielmehr wird die eigene Biografie und Erinnerung erforscht, wobei diese stellvertre­tend für die Erinnerung allgemein steht (vgl. Jochimsen 1985, S. 236). Jochimsen (1985, S. 236) formuliert: „Für ihn ist Erinnerung allgemein; die Erinnerung der Einzel­nen sind die Erinnerungen aller.“

 

Mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts richtet sich das Interesse zunehmend auf das, was Künstler tun. Entsprechend wird den Künsten seit den 1960er Jahren zuneh­mend forschender Charakter zugeschrieben (vgl. Haarmann 2011). Lütgens (2008, S.65) formuliert: „Für den Aufbruch zu einem neuen Verständnis dessen, was Kunst ist und was Künstler tun, sind in den 1960er Jahren im Kreis von Konzeptkunst, Minimalis­mus und Fluxus entscheidende Praktiken initiiert worden.“ Denken und Reflektieren werden dabei ebenso als Forschungspraktiken angesehen wie serielles Arbeiten, Expe­rimentieren, Arrangieren, Formieren oder Installieren (vgl. Künstlerische Forschung – Ein Handbuch. 1. Aufl. 2015). Aber auch Beobachtungen, Versuchsanordnungen – im Sinne von Regeln aufstellen und sie befolgen – und Listen erstellen gehören zum künstlerischen Forschungsrepertoire (vgl. Lütgens 2008, S. 61). Doch nicht jede Kunst forscht, denn Voraussetzung ist, dass sie sich entlang einer Fragestellung fortschreibt und entwickelt sowie nachvollziehbar gestaltet (vgl. Haarmann 2011). Künstlerische Positionen, die sich ausdrücklich mit der Frage Zeit befassen, können als Grundlagen­forschung verstanden werden. Dabei müssen sich Künstler bei ihrer Forschung nicht akribisch an bestimmten wissenschaftlichen Denkmustern orientieren. Diese Ungebun­denheit ermöglicht es ihnen, sich sämtlicher Methoden, Materialien und Medien zu be­dienen (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 14f.).

 

Beispielsweise kann die oben erwähnte Arbeit Brillo Box (Soap Pads) (1964) von Andy Warhol als forschend betrachtet werden. Denn Warhol untersucht und befragt mit sei­nen Arbeiten einerseits die amerikanische Kultur und Wirklichkeit seiner Zeit. Anderer­seits befragt und untersucht er die alltäglichen Bildinszenierungen in Hinblick auf ihre visuelle Grammatik. Dabei stellen Warhols Arbeiten etablierte Konzepte in Frage (vgl. Lucie-Smith 1999, S. 260ff.).

 

Der Kondensationswürfel (1963-1965) von Hans Haacke kann als fortlaufendes Experi­ment aufgefasst werden. Es wird – wie in surrealistischen Konzeptionen – ein physikali­scher Prozess in Gang gesetzt, der im Geschehen nicht mehr in der Hand des Künstlers liegt (vgl. Rohsmann 1999, S. 398). Der Kondensationswürfel ist konzeptbasiert. Der Gedanke dahinter ist wesentlich. Entsprechend spielen weniger ästhetische Normen, als vielmehr technische Faktoren bei der Umsetzung eine Rolle. Haackes Interesse rich­tet sich dabei auf Systeme, die reale Veränderungsprozesse darstellen, welche auf Na­turgesetzen basieren. Der Umsetzung geht wissenschaftliches Denken und eine wissen­schaftliche Analyse voraus. Im Wechselverhältnis zu den Umweltbedingungen findet ein steter zirkulärer Prozess aus Verdampfen, Tropfenbildung und Tropfenverlauf an den Acrylglasscheiben statt. Die dargestellten physikalischen Zusammenhänge stehen in Wechselwirkung mit den Umweltbedingungen. Sie sind nur über einen längeren Zeitraum beobachtbar (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 114ff.).

 

Bruce Nauman befragt und erforscht in seinen Versuchsanordnungen den eigenen Kör­per anhand von selbst auferlegten Aktionen, die er in Form von Videos dokumentiert (vgl. Schneede 1998, S.13ff.).

 

Marina Abramović untersucht das Zeiterleben und befragt auf geistiger Ebene die Inter­aktion nonverbaler Kommunikation (vgl. Akers 2012).

 

Auch die Arbeit von Hanne Darboven kann als künstlerische Forschung betrachtet wer­den. Zum einen ist Darbovens Installation Bismarkzeit (1978) wie eine wissenschaftli­che Arbeit aufgebaut, basiert auf Recherche und untersucht die Medialität der Darstel­lung. Zum anderen wird das Phänomen Zeit aus unterschiedlichen Perspektiven be­trachtet sowie auf mehreren Ebenen untersucht (vgl. Bippus, 2011). Dabei stellt sie die verschiedenen Elemente der Installation einander gleichwertig und vergleichend ge­genüber. So werden neue Zusammenhänge erschlossen und neue Erkenntnismöglich­keiten eröffnet. Zudem spielt die Form der Installation in Bezug auf künstlerische For­schung eine Rolle. Denn die Verschränkungen, also das Ineinandergreifen der verschie­denen Bezugspunkte (Raum, Objekte, Betrachter), die auf bestimmte Weise zusam­mengestellt sind, sodass sie Zusammenhänge herstellen, indem sie in einer bestimm­ten Stellung zueinander stehen (Konstellierungen), machen die Forschungsarbeit in ei­ner Installation aus. Dabei ist eine solche Forschungsarbeit als unabgeschlossen und wandelbar zu betrachten, denn stets sind neue Beziehungen und Verkettungen her­stellbar. Somit sind Installationen einerseits in ihrer Form festgelegt, andererseits je­doch – insbesondere in Hinblick auf Gegenwartsbezug, Zeit, Betrachter – unkontrollier­bar (vgl. Bippus 2015, S. 154). Bippus (ebd.) spricht in diesem Zusammenhang von ei­nem „geregelten gleichwohl auch unkontrollierbaren Bezugssystem“.

 

Um eine Allgemeingültigkeit zu erreichen, die es den Rezipienten ermöglicht eigene Er­innerungen zu assoziieren, sucht Boltanski nach allgemeinen Mustern (vgl. Paflik-Huber 1997, S. 208).

 

Auch Sammeln und Archivieren können zu Methoden künstlerischer Forschung werden. In diesem Sinne ist das seit 2012 bestehenden Kunstprojekt 10 wichtigste Ereignisse von Mats Staub als künstlerisches Forschungsprojekt zu verstehen. In dem Projekt ist jeder dazu aufgerufen zehn wichtigste Ereignisse seines Lebens in kurzen prägnanten Sätzen zu formulieren. Im Vordergrund stehen die Fragen: „Was ist wichtig? Was war wichtig? Was sind, von heute aus gesehen, wichtigste Ereignisse meines Lebens? Wel­ches Porträt von mir entsteht, wenn ich genau zehn wichtigste Ereignisse schildern kann? Und welche Ereignisse wählen Jüngere und Ältere, die Frau oder der Mann mit ganz anderem Hintergrund oder Lebenslauf – welche Geschichten und welche Lücken entstehen, wenn jede und jeder genau zehn Ereignisse schildern kann?“ (s. http://www.matsstaub.com/projects/zehn-wichtigste-ereignisse-meines-lebens/ [Zugriff: 08.06.2017]). Entstanden ist auf www.zehn-wichtigste-Ereignisse-meines-lebens.net [Zugriff: 08.06.2017] eine webbasierte Sammlung. Begleitet wird diese von Ausstellungen. Als Kunst-Plakate werden ortsspezifische Lebensläufe präsentiert, sodass an jedem Ausstellungsort andere Plakate hängen. 2014 ist zudem ein Buch der Sammlung herausgegeben worden.

 

Auch wenn die hier vorgestellten Künstler nicht explizit eine Fragestellung formuliert haben, ist dennoch davon auszugehen, dass sie entlang einer Fragestellung themenbe­zogen gearbeitet haben. Die Fragestellung und das Vorgehen ist den Arbeiten imma­nent und kann beim Betrachten nachvollzogen werden.

 

Basierend auf den dargestellten Erkenntnissen wird im Folgenden der Versuch unter­nommen, eine eigene künstlerische Position zu Zeit zu entwickeln. Dabei werden Mate­rialien und Möglichkeiten in Hinblick auf Eigenzeit sowie Augenblick und Dauer befragt und untersucht.

Teil II

5 Die Erforschung der Eigenzeit mit bildkünstlerischen Mitteln

Die im Folgenden dargelegte künstlerische Arbeit zu: Eigenzeit. Individuelles Zeiterle­ben im Spannungsfeld von Augenblick und Dauer. Eine künstlerische Forschung unter Betrachtung medialer Eigenzeiten basiert auf der Vorstellung, dass menschliches Erle­ben und somit auch Kunsterleben niemals losgelöst von Raum und Zeit gedacht wer­den kann. Denn ebenso wie der Raum ist auch die Zeit nicht nur eine existenzielle Grunderfahrung, sondern eine existenzielle Grundbedingung des Lebens. Zudem wird davon ausgegangen, dass nicht nur dem Menschen, sondern jedem Objekt eine Eigen­zeit zukommt (vgl. Herder 1799 zit. in Gamper/Hühn 2014, S. 7).

 

Der eigenzeitliche Charakter dieser Arbeit zeichnet sich schon im kunstgeschichtlichen Kontext ab. Entsprechend ist sie im zeitgenössischen Zusammenhang zu verstehen. Ohne die Erweiterungen des Kunstbegriffes seit der Moderne wäre diese Arbeit in die­ser Form nicht möglich. Denn anders als von Kant (1724-1804) postuliert, wird Kunst hier nicht verstanden als ein intrinsisch motiviertes, vom Genie geschaffenes Artefakt (vgl. Waibel 2009, S. 136ff.; Hauskeller 1998, S. 37).

 

Seit den Avantgarde-Bewegungen Anfang des letzten Jahrhunderts wurde immer wie­der der Versuch unternommen, Kunst und Leben miteinander zu verbinden. Insbeson­dere ist Beuys mit seiner Erweiterung des Kunstbegriffes zu nennen. Beuys (1979, zit. in Harlan 2011, S. 27f.) formuliert: „Also, wir leben ja alle noch in einer Kultur, die so sagt: Da sind Künstler und da sind Nichtkünstler. Das wird dann unmenschlich, dadurch gibt es den Begriff der Entfremdung zwischen den Menschen. Nein, jeder Mensch voll­zieht permanent materielle Prozesse. Er stellt immerfort Zusammenhänge her. Auch wenn er gibt, wenn er einem anderen Menschen ausweicht oder wie er sich im Gedrän­ge verhält, es gibt immer, sagen wir mal Formprozesse. (…) Ich will davon weg, wie die Gestaltungsfrage auf die Künstler geworfen wird oder auf die Kunst so im traditionellen Sinn. Ich möchte das dahin bringen, daß die Menschen sich selbst erleben, als mit die­ser Frage befaßt, kontinuierlich, und daß sie dann indem sie dauernd diese materiellen Prozesse herstellen, imgrunde auch erleben, daß die soziale Skulptur eine Notwendig­keit ist, und auch erleben, daß es notwendig ist Dinge wahrzunehmen, die man norma­lerweise nicht wahrnimmt.“ Nach diesem Verständnis kann jeder, je nach seinen Fähig­keiten und Kenntnissen, seinen Beitrag in Kunst, Kultur und Gesellschaft leisten und so­mit an der sozialen Plastik mitwirken. In diesem Sinne wird Kunst in dieser Arbeit als visuelles Kommunikations- und Ausdrucksmittel verstanden, das sowohl auf prozessua­ler Ebene, als auch auf Werk- und Rezeptionsebene Wechselbeziehungen eingeht. In der Interaktion ist Kunst somit ein aktiver, kreativer Auseinandersetzungsprozess mit Innen und Außen – auf den zuvor genannten Ebenen – in, wie auch schon von Kant und Schiller festgestellt, Wechselwirkung der Erkenntniskräfte.

 

Wie dargelegt, ist Zeiterleben in der Bildenden Kunst nicht abhängig von einem erleb­ten Nacheinander im Raum. Insofern kann Zeit nicht nur (wie von Lessing postuliert) durch eine zeitliche Abfolge im Raum erlebbar werden, sondern auch in statischen Me­dien durch Qualitätsveränderung in der Form. Dabei ist Zeiterfahrung, wie auch Kunst­erfahrung vor allem eine Bewusstseinsleistung. Beides wird individuell und in Relation zu etwas wahrgenommen und erlebt. Die Darstellungsformen bzw. Möglichkeiten, sich dem Thema Zeit im Rahmen der Bildenden Kunst zu nähern, sind vielfältig und facet­tenreich. Mit den Erweiterungstendenzen seit der Moderne eröffnen sich neben der narrativen, zentralperspektivischen Darstellungsform neue Möglichkeiten. Mit den Pro­zess- und Aktionskünsten existieren neben den statischen Bildträgern auch Kunstfor­men, die realzeitliches Erleben von Zeit ermöglichen.

 

Der hier skizzierte Arbeitsprozess setzt sich mit der Erforschung, Erschließung und Kon­kretisierung des Phänomens Zeit mit bildkünstlerischen Mitteln – in Hinblick auf Eigen­zeit als individuelles Zeiterleben – auseinander. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie Zeit und insbesondere das Erleben von Eigenzeit im Spannungsfeld zwischen Au­genblick und Dauer visualisiert und vermittelt werden kann. Welche Darstellungsfor­men sich für das Thema anbieten, soll erforscht und betrachtet werden.

 

Wie von Anke Haarmann (2011) für eine künstlerische Forschung vorgeschlagen, sind bildkünstlerische Arbeiten zum Thema Zeit betrachtet worden, die als forschend ver­standen werden können. Sie bilden Anknüpfungspunkte. Ob bzw. welche Arbeiten als Inspirationsquelle dienen, ist von unwillkürlichen Erinnerungen an einzelne Arbeiten und den damit einhergehenden subjektiven Verknüpfungen, Assoziationen und Vorstel­lungen abhängig.

 

Die im Folgenden dargestellte Arbeit ist als Konzept zu verstehen. Ihr liegt die Idee zu­grunde, dass das Leben auf dieser Welt von Veränderungs- und Umwandlungsprozes­sen bestimmt ist. Stillstand gibt es im Leben nicht, denn Stillstand bedeutet Tod und ist somit die Negation des Lebens. Sämtliches Sein auf dieser Welt kann nicht losgelöst von Raum und Zeit betrachtet werden. Dabei stehen alle Subjekte und Objekte mit sämtliche Prozessen in Wechselwirkung zueinander.

 

Viele Ideen und Gedanken sind im Arbeitsprozess gleichzeitig entstanden und bearbei­tet worden. Entsprechend ist im Nachhinein versucht worden, das Denken und Handeln thematisch geordnet und nachvollziehbar zu gestalten. Der Arbeitsprozess geht einher mit einem Werkbuch, in dem Notizen und Produkte unsortierten Sammelns festgehal­ten sind. Mit Kommentaren versehen sollen wesentliche Gedanken und Ideen das Den­ken und den Arbeitsprozess offenlegen. Das Werkbuch ist im Anhang einsehbar hinter­legt und dokumentiert.

5. 1 Die Installation

Die Installation setzt sich aus sechs Elementen zusammen. Sie visualisiert mit verschie­denen Medien und Materialien, die sich aufeinander beziehen und somit eine eigene Dynamik und Bewegung im Raum erzeugen, Eigenzeit. Dabei wird Eigenzeit auf ver­schiedenen Ebenen vermittelt. Eigenzeiten sind Zeiten eines Objekts oder Subjekts, die in der Wechselwirkung zur Außenwelt erfahrbar werden. Wesentlich für diese Arbeit ist die Erkenntnis, dass Zeit eine Bewusstseinsleistung ist. Dabei steht ein System, mit sei­nen eigenen zeitlichen Prozessen, in Relation zu anderen Systemen.

 

Die einzelnen Elemente sind auseinander und miteinander entstanden und entwickelt worden. Entsprechend ist der Arbeitsprozess in der Installation selbst nachvollziehbar. Die einzelnen Elemente kommunizieren miteinander und stehen zudem in Interaktion mit dem Betrachter, der dazu aufgerufen ist die Arbeit fortzusetzen und weiter zu ent­wickeln. Jede Interaktion, jeder Austauschprozess geht mit Veränderungen einher und ist somit ein Umwandlungsprozess, der seiner eigenen Zeit bedarf und der Zeitlichkeit unterworfen ist – auch die Kunstbetrachtung.

 

Zu sehen sind: 1. zwei Videoprojektionen, 2. ein Tisch, auf dem eine alte Schreibmaschine steht, dazu ein Stuhl 3. ein mit beschriebenen Karteikarten gefüllter, alter Karteikasten aus den 1950er/1960er Jahren 4. ein alter Koffer, in dem Karten mit bunten Sätzen zu sehen sind, 5. zwei rostige Fundstücke,  6. eine Mail-Art-Aktion.

 

Die Installation vermittelt Eigenzeit auf den Ebenen: Eigenzeit als Veränderungsprozess (5.1.1), Eigenzeit als erlebte Zeit (5.1.2) und Eigenzeit als Differenzerfahrung (5.1.3).

 

5. 1. 1 Eigenzeit als Veränderungsprozess

Die rostigen Fundstücke sind Zeugnisse von Veränderung und Vergänglichkeit. Rost ist eine Reaktion, eine Korrosion. Im zeitlichen Prozess und in Wechselwirkung mit Sauer­stoff zerfrisst und zerstört Rost das harte, glänzende Metall. Ein sichtbarer eigenzeitli­cher Alterungs- und Veränderungsprozess. Entstanden in Wechselwirkung mit den Ele­menten.

 

 

„Eingefressen in rotbraunen Farben eine unbekannte Geschichte.

Picklig und brüchig die Eigen (e) Zeit.

Als löchrige Komposition ein Mahnmal der Endlichkeit.

Ein stetes Hin zum Ursprung der Materie.“

 


Abb. 1 Fundstück Nr. 1, Metall, 15 cm x 30 cm

Abb. 2 Fundstück Nr. 2, Metall, h: 28 cm, b: 50 cm, t: 29 cm


Fundstück Nr. II (s. Abb. 2) ist in sich bewegt. Wie ein Schritt vorwärts und zugleich in sich ruhend. Das Alter durch die rostige Patina würdevoll tragend. Eine Form, vom Le­ben geprägt. Im Wechselspiel mit seiner Umgebung entstanden. Die Umrisslinie vereint Anfang und Ende der Form. Alpha und Omega rahmen das Ganze ein. Den inneren Kern der vergänglichen Welt. Die Außenkante ist von Rost befreit, sodass der silbrig glänzende Kern des Metalls zum Vorscheinen kommt. Anfang und Ende sind durch die silbrige Kante verbunden, ohne dass man sagen kann, wo Anfang und wo Ende sind. Die silbrige Linie symbolisiert Zeit als ewigen Kreislauf. Der Rost verweist auf die Ver­gänglichkeit. Somit wird das Fundstück zum Symbol für den ewigen Kreislauf aus Wer­den, Sein und Vergehen. Der Kreis schließt sich. Werden und Vergehen sichtbar in ei­nem Stück. Der innere Kern, in dem die Veränderungsprozesse angelegt sind, offenge­legt. Der innere Kern des ursprünglichen Materials, der dem Stück Persönlichkeit ver­leiht. Denn nur durch ihn wird das individuelle Zeiterleben im Hier und Jetzt erst mög­lich.

 

Die rostigen Fundstücke visualisieren ihre eigene Geschichte und demonstrieren Verän­derung und Endlichkeit. Die Zeit hinterlässt ihre Spuren. Die eingefressenen Rostlöcher bei Fundstück Nr. I (s. Abb. 1) zeugen jedoch nicht nur von der Vergänglichkeit des Materials. Sie sind auch ein Bewegungsmoment auf der Fläche, bedingt durch die Qualitätsveränderung in der Form. Die Qualitätsverände­rung wird nicht nur durch die Löcher erzeugt, die zu der rauen rostigen Oberfläche einen Kontrast darstellen. Als Elemente auf der Fläche unterscheiden sich die Rostlö­cher zudem in Form und Größe und stehen in einer bestimmten Konstellation zueinan­der, sodass Bewegung auf der Fläche erzeugt wird, die durch die unregelmäßige Struk­tur und rostige Farbgebung schon in sich bewegt ist.

 

Bewegung ist Teil des Lebens. In der Bewegung wird Zeit wahrnehmbar und sichtbar. Bewegung von A nach B. Wegstrecke ist auch Zeitstrecke. Kein Weg gleicht dem anderen. In der Zeit werden Spuren hinterlassen. Von Augenblick zu Augenblick die neue Entscheidung: Welche Richtung? Welcher Weg? Dies wird thematisiert und visualisiert durch die Karten der Mail Art Aktion (s. Abb. 3). Auch hier ist die Verteilung der Rostlöcher von Fundstück I abgebildet. Eine Wiederholung und Weiterentwicklung.

 

Abb. 3 Mailart Postkarte, 10 cm x 21 cm

Die Mail-Art-Aktion ist eine Interaktion, ein Wechselwirkungsprozess in der Zeit, der Zeit braucht, Zeit thematisiert und den zeitlichen Prozess vor Augen führt. Sie ist ein realzeitlicher Prozess. Die Handlungsanweisung der Aktion lautet:

 

  • Verbinde die Punkte durch Linien
  • Schreibe neben einen beliebigen Punkt die Zahl 1.
  • Ziehe eine Linie zu einem neuen Punkt. Benenne ihn 2.
  • Fahre so fort. Ziehe Deinen Weg von Punkt zu Punkt, bis alle Punkte miteinander verbunden sind.
  • Sende die Karte an die angegebene Adresse.

 

Die Aktion nimmt die Eigenzeit der Teilnehmer in Anspruch und visualisiert zugleich durch die nummerierte Linienführung eine Zeitstrecke auf der Karte.

 

Auf jeder Karte ist ein eigener, individueller Weg auf der Fläche dokumentiert. Zudem zeugen die Postkarten von einem Prozess. Ein Prozess, der Aktion und Reaktion beinhaltet. Ein Hin und Her. Wie die Punkte auf der Postkarte, die im Nachein­ander von Augenblick zu Augenblick miteinander verbunden werden. Der postalische Weg braucht Zeit. Er dauert und dauert an. Denn die Rezipienten sind aufgefordert, sich an der Aktion zu beteiligen und die Arbeit fortzusetzen.

 

5. 1. 2 Eigenzeit als erlebte Zeit

Mit den Aktions- und Prozesskünsten ist versucht worden Kunst und Leben einander anzunähern. Auch Performances sind Realzeitsysteme, die während der Aktion zeit­gleich vom Betrachter wahrgenommen werden. Als Videoarbeit sind sie konservierte Ei­genzeit, die vom Betrachter in Echtzeit wahrgenommen wird.

 

Die Videoarbeit 8 Glasen (2017) zeigt eine vierstündige Performance. Der Titel ist an die Glasenuhr angelehnt. Die Glasenuhr gibt die Zeitrechnung auf Schiffen an. Das Wort Glasen leitet sich von dem Halbstundenglas ab, mit dem die Zeit gemessen wird. Acht Glasen bezeichnet den Zeitraum von vier Stunden und somit die Zeit einer Schicht an Bord eines Schiffes. Eine Schicht dauert auf See vier Stunden. Die erste Schicht be­ginnt um 04:00 Uhr morgens. Der Beginn der Schicht wird durch vier doppelte Glo­ckenschläge eingeläutet. Im weiteren wird alle halbe Stunde die Glocke geschlagen, um den Zeitverlauf der laufenden Schicht und die Uhrzeit kund zu tun. Das heißt, nach einer halben Stunde erfolgt ein Schlag. Nach einer Stunde ein Doppelschlag. Nach ein­einhalb Stunde ertönen ein Doppelschlag für die volle Stunde und ein Schlag für die halbe Stunde. Nach zwei Stunden sind für zwei volle Stunden Schicht zwei Doppel­schläge zu hören. Das Prinzip setzt sich bis zum Schichtende, welches zugleich durch acht Schläge den neuen Schichtbeginn einläutet, fort. Entsprechend ertönen traditionell auch acht Glasen zum Gedenken an verstorbene Seeleute.

 

Zu sehen ist ein aus altem Pallettenholz gezimmerter Hocker. Darauf steht ein Halb­stundenglas mit schwarzem Sand. Rechts neben dem Hocker kniet eine Person auf ei­nem Sitzhocker. Alle halbe Stunde wendet sie das abgelaufene Halbstundenglas. Die Prozedur folgt dem Schema der Glasenuhr. Anders als bei der Glasenuhr ertönt bei der Performance jedoch kein Zeitsignal. Das Realzeitvideo ist ton­los. Fast scheint die Zeit im Bild negiert, denn sie läuft kaum merklich und doch stetig weiter. Die Erwartungshaltung des Rezipienten wird nicht erfüllt. Der Betrachter ist auf sich selbst und sein eigenes Zeiterleben zurückgeworfen. Zwar wird in Echtzeit eine Uhr gezeigt, doch ohne genaue Zeitangabe. Die Uhrzeit ist bei einer Glasenuhr nur in Relation zu etwas nachzuvollziehen, beispielsweise in Konstellation zum Tageslicht. Sie funktioniert zudem nur in Wechselwirkung, also wenn das Halbstundenglas umgedreht wird. Entsprechend ist alle halbe Stunde eine Aktion zu sehen. Im Warten auf eine Ak­tion wird Zeit direkt wahrnehmbar. Sie scheint nicht zu vergehen, beinahe still zu ste­hen. Nur der rieselnde Sand und die minimalen Bewegungen (leichtes nach vorne Sa­cken und wieder Aufrichten, die Veränderung des Lichtes) zeugen vom steten Verge­hen der Zeit. Je nach Betrachtungsdauer kann die verstreichende Zeit gemessen oder nicht gemessen werden. Nur wer von Anfang an zuschaut, kann mitzählen und dabei die Dauer der Performance ablesen und sie zugleich miterleben. Ein flüchtiger Blick hingegen lässt die Performance fast wie ein unbewegtes Bild erscheinen.

 

Die Sanduhr symbolisiert die Vergänglichkeit des Lebens. Durch den wiederholten Akt des Umdrehens wird zugleich ein Kreislauf erzeugt. Dieser endet jedoch bei acht Gla­sen. Die Schicht ist vorbei – ein Verweis auf die Endlichkeit allen Lebens und den Neu­beginn.

 

Neben der Videoperformance 8 Glasen (2017) läuft eine weitere Videoprojektion. In der Arbeit credits (2017) rollt sich – wie der Abspann eines Films – weiße Schrift auf schwarzem Grund von unten nach oben ins Bild. Zu lesen sind fortlaufend 121 gesammelte Sätze zu Eigenzeit und individuellem Zeiterleben. Die hier zu lesenden Zeiterlebnisse sind von Personen verschiedenster Altersgruppen zum The­ma Eigenzeit verfasst und hier gesammelt worden. Eigenzeit ist eigene Zeit. Sie schrei­tet stetig voran, auch wenn sich scheinbar nichts bewegt, wie in der der Videoperfor­mance 8 Glasen. Dabei schließt sie die individuelle Lebenszeit im historischen Kontext und die individuelle Zeiterfahrung mit ein. Vor diesem Hintergrund bilden die persönli­chen Lebensgeschichten im Spannungsfeld von Augenblick und Dauer ein Gegenüber zu der in der Performance eigens erlebten Zeit und stellen einen Bezug zu der im Rost sichtbaren Vergänglichkeit her. Wie credits im Nachspann eines Films erfährt hier das individuelle Zeiterleben zwischen Augenblick und Dauer eine Würdigung. Die im alltäg­lichen Leben als unscheinbar wahrgenommene Augenblicke werden nicht nur vor Au­gen geführt, sie zeugen zudem von individueller Lebenszeit und Zeitgeschichte.

 

Jedes Erlebnis geht mit einem Gefühl einher. Auch Farben wirken in dieser Hinsicht. Als farbige Sätze auf schwarzem Grund tauchen die Sätze auf Karten gedruckt im Koffer der Erinnerung (2017) erneut auf (s. Abb. 4 und Abb. 5). Assoziativ und intuitiv sind den gesammelten Sätzen Farben (Blau, Gelb, Grau, Grün, Rot, Violett, Weiß) zugeord­net worden, denn ebenso wie das Zeiterleben ist das Farberleben ein subjektives Erle­ben (vgl. Linares 2005, S. 149). Farben wecken Emotionen und schaffen Atmosphären. Mit ihnen gehen bestimmte Bedeutungsinhalte und Assoziationen einher (vgl. Hahn 2015, S. 367; Linares 2005, S. 10). Sie besitzen nicht nur individuelle Ausdruckscharak­ter, sondern auch eine spezifische (psychologische) Wirkung. Farben sind Ausdrucksträ­ger „von Gefühlen, Stimmungen und Vorstellungen“, die das individuelle innere Erleben widerspiegeln. Die mit Farben verbundenen Vorstellungen können konkret, abstrakt, persönlich, allgemein, emotional oder rational sein (vgl. Linares 2005, S. 149). Wesent­lich war, in welche Farbe sich der Satz beim Lesen einfärbt (s. Listen im Werkbuch).

Abb. 4 Karten 11cm x 17cm

Abb. 5 Koffer der Erinnerung


Der Koffer ist halb geöffnet. Eigentlich müsste der Deckel aufgrund der Schwerkraft zu­fallen, doch der Deckel verharrt gebremst durch einen Keil in der halb geöffneten Posi­tion. Im Sinne des „fruchtbaren Augenblicks“ lassen sich das Vorher und Nachher mit­denken. Die durch die Öffnung zu erkennenden bunten Karten sind willkürlich verteilt. Wesentlich ist, dass sich durch die Schichtung, Überlappung und Verdeckung der ein­zelnen Karten ein bewegtes Element ergibt. Dieses wird mit weiteren Karten, die aus dem Koffer zu fließen scheinen, in den Raum hinein fortgesetzt. Einerseits symbolisie­ren die bunten Sätze die bunte Vielfalt des Lebens, die sich wie ein Flickenteppich aus Lebensfäden über den Boden verteilen. Andererseits können sie auch an den farbigen Herbst erinnern. Erinnerungen, durchmischt mit Gefühlen von Trauer bis Glück – voller Leben.

 

Nach Altersgruppen geordnet sind die Sätze, die in der Videoprojektion ungeordnet und unaufhaltsam aus dem Bild wandern, in einem alten Karteikasten archiviert und präsentiert. Da die Texte im Abspann unsortiert ablaufen und wegen des steten Ablaufs nicht nachgelesen werden können, bieten die sortierten Texte einen Überblick – als Ar­chiv zum Nachrecherchieren. Die Sätze sind entsprechend der Archividee auf Karteikarten getippt. Die altertümliche Form der Schreibmaschine ist hier gewählt worden. Worte entstehen hörbar von Tastendruck zu Tastendruck und drücken sich als Sätze auf dem Papier ab. Fehler sind sichtbar – durch Überdrucken mit dem richtigen Buchstaben – korrigiert worden, denn der Augenblick, der dem Satz auf dem Papier Dauer verleiht, zählt. Wie ein Palimpsest visualisiert dies das Nacheinander in der Zeit durch das Übereinander. Lücken zwischen den Buchstaben sind im Nachhin­ein mit dem Bleistift zusammengezogen worden. Nach Altersgruppen sortiert (0-9 Jah­re, 10-19 Jahre, usw.) sind sie in einem alten, hölzernen Karteikasten aus den 1950er/1960er Jahren gesammelt und dem Rezipienten zugänglich gemacht worden. Die Sortierung nach Alter während der Erfahrungszeit visualisiert eine altersbedingte Entwicklung im Laufe der lebensgeschichtlichen Entwicklung.

 

Neben dem Karteikasten befindet sich ein Tisch, auf dem die Schreibmaschine steht. Das Modell ist alt und repräsentiert seine eigene Zeit. Eingespannt ein Bogen Papier. Auch hier sind Gesammelte Sätze zu lesen – denn die Sammlung setzt sich fort. Vor dem Tisch steht ein Stuhl. Hier können die Rezipienten Platz nehmen und auf der Schreibmaschine getippt ihre eigenen zeitlichen Erinnerungen festhalten. Zu lesen ist dies auf einer Handlungsanweisung neben der Schreibmaschine. Eine Akti­on in der Installation, die die Eigenzeit der Betrachter erfordert. Denn es ist ihre Zeit – erinnert und geschenkt. Geschenkte Zeit im Schreibprozess, der wie alle Umwand­lungsprozesse Zeit braucht.

5. 1. 3 Eigenzeit als Differenzerfahrung

Leben ist Bewegung, ein Prozess, ein Weiterentwickeln. Stillstand gibt es nicht. Im Nichtstun wird Zeit als Dauer erfahrbar. Eigenzeit wird in Wechselwirkungen erlebt. Da­bei ist sie objektiv nicht messbar. Dennoch wird Zeit gemessen. Zeitmessung gibt Ori­entierung. Doch ist die objektiv gemessene Zeit nicht die Eigenzeit. Die Performance 8 Glasen (2017) folgt dem Prinzip der Glasenuhr. Dennoch ist sie keine Uhr. Sie funktio­niert nicht als objektives Zeitmessgerät, das Stunde, Minute und Sekunde anzeigt. Es ist eine „lebendige“ Uhr, die nur durch den Akt des Umdrehens und den physikalischen Gesetzen folgend das Vergehen der Zeit sichtbar macht. Einen Prozess aus Aktion, Re­aktion und Warten. Zeiterfahrung in Wechselwirkung.

 

Eigenzeit wird in Wechselwirkungen erlebt und erfahren. In der Differenz zu den Zeiten anderer Systeme wird Eigenzeit deutlich. Dabei ist sie objektiv nicht messbar. Dennoch wird Zeit gemessen, denn Zeitmessung gibt Orientierung. Doch hier fehlt jede Orientierung. Die Uhrzeit ist ausradiert, sie ist negiert worden. Die Rezipienten sind auf ihre eigene Zeitwahrnehmung, ihre Eigenzeit zurückgeworfen.

5. 2 Präsentationsentwurf

Als Präsentationsform bietet sich eine Installation an, denn dies bietet die Möglichkeit einen Erfahrungsraum zu schaffen, indem der künstlerische Arbeitsprozess selbst im Werk nachvollziehbar und erlebbar wird. Die Installation wird zum Aktionsfeld für die Rezipienten. Kunst und Leben finden hier in Echtzeit eine Verschmelzung. Denn nicht nur sind die Betrachter aufgerufen, den der Arbeit zugrundeliegenden Gedankengang anhand der einzelnen Elemente, die zueinander in Konstellation stehen, nachzuvollzie­hen und zu entschlüsseln. Sie sind auch aufgerufen, die Arbeit in der Arbeit weiterzuentwickeln und fortzuführen.

 

Die Videoarbeiten sollen über Eck auf die Wand projiziert werden. Durch die Art der Präsentation gehen beide Arbeiten eine Beziehung ein. Es ist, als würde die Figur aus der Performance in Richtung Text schauen. Die Videoarbeit credits ist eng mit dem Koffer der Erinnerungen, dem Kartei­kasten und dem Tisch auf dem die Schreibmaschine zur Benutzung steht verknüpft.

 

Alle drei Elemente bringen mit verschiedenen Mitteln und auf verschiedene Weise die gesammelten zeitlichen Augenblicke in eine Form und halten die Erinnerungen fest. Auch hier besteht eine unsichtbare Verbindungslinie.

 

Der Koffer als alter Gebrauchsgegenstand und Fundstück stellt sowohl eine Verbindung zu dem Tisch mit der Schreibmaschine und dem Karteikasten, als auch zu den rostigen Fundstücken her. Die Fundstücke Nr. I und Nr. II kommunizieren aufgrund ihrer Materialität miteinander. Die rostige Erscheinung wird zur Wiederholung im Raum. Die Fundstücke sollen – wie auch die anderen Elemente der Installation – aufgrund ihrer materiellen Ähnlichkeit und durch die Verteilung im Raum den Blick des Betrachters lenken und Bewegung im Raum erzeugen. Fundstück Nr. II soll auf einem Sockel präsentiert werden, während Fundstück Nr. I an der Wand hängt. Ebenfalls an der Wand präsentiert werden die eingesandten Postkarten der Mail-Art-Aktion. Durch die Rostlöcher, die den Ursprung zur Arbeit Punkt für Punkt bilden, gibt es eine Verbindung zu den Mail-Art-Karten, die zudem als Aktionskarten ausgelegt sind. Eine weiter Aktion in der Installation. Die Postkarten nehmen aufgrund ihrer Materialität wiederum Bezug zu den Karteikarten und den Karten im Koffer auf.

6. Schlussbetrachtung

Lessings Theorem Bildende Kunst könne als Raumkunst keine Bewegung und somit keine Zeit darstellen, ist nicht stichhaltig genug, um unangefochten zu sein. So gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Bildzeit bzw. das Zeitmaß in der Bildenden Kunst zu verwirklichen. Wesentlich für die Vermittlung von Zeit in bildkünstlerischen Medien ist insbesondere, dass Zeit durch Qualitätsveränderung der Form und im Bewusstsein des Betrachters erlebbar wird. Wie dargestellt, ist Zeit begrifflich nicht definierbar. Zeit und insbesondere Eigenzeit wird nur in der Interaktion mit der Welt wahrnehmbar - sei es auf ereignis-, produktions- oder rezeptionsästhetischer Ebene. Interaktion setzt dabei in sich geschlossene Bezugssysteme voraus, die für sich genommen autonom sind und zueinander in Wechselbeziehung stehen – wie die einzelnen Elemente auf einer Fläche, die gemeinsam das Bildganze ergeben. Zeiterfahrung so gedacht ist eine Alteritätser­fahrung. Als sinnliche Wahrnehmung kann sie auch mit ästhetischem Erleben einherge­hen, welches seinerseits das Zeiterleben beeinflussen kann. In Zusammenhang mit Kunst kann Zeit sowohl auf Prozess-, als auch auf Rezeptions- und Werkebene wahrge­nommen bzw. vermittelt werden. Dabei sind die künstlerischen Positionen als Modell für Zeit zu betrachten, die ihrerseits in (kunst-)geschichtlichen Zusammenhängen ste­hen und der Zeitlichkeit unterworfen sind.

 

Aufgabe der Kunst ist es, einzelne Elemente und Fragmente in einen sinnstiftenden Zu­sammenhang zu bringen. Forschen mit den Mitteln der Kunst heißt, wachen Auges durch die Welt zu gehen, wahrzunehmen und Zusammenhänge zu erkennen, wo viel­leicht objektiv betrachtet keine sind. Denn künstlerische Arbeiten entstehen immer im Zusammenhang mit dem Wissen, Denken, Fühlen und Handeln des Kunstschaffenden, der wiederum in einen sozialen und historischen Kontext eingebettet ist. Dennoch wird den entstandenen Werken, wenn sie ein in sich stimmiges Gesamtbild vermitteln, Evi­denz zuerkannt. Dementsprechend ist Kunst niemals so objektiv, wie die Wissenschaft es gerne hätte, doch hält die künstlerische Forschung Anderes bereit. Erfahrungen und Möglichkeiten, die das kognitive und sukzessive Denken bereichern und neue Fragen aufwerfen können.

 

Diese Arbeit versteht sich als eine Art Feldstudie, die der Frage nachgegangen ist, ob sich und wenn ja, wie sich Zeit mit bildkünstlerischen Mitteln darstellen lässt. Sie stellt den Versuch dar, sich dem Thema Zeit unter Betrachtung von Eigenzeitlichkeit und indi­viduellem Zeiterleben mit bildkünstlerischen Mitteln und Methoden zu nähern.

 

Im Sinne der künstlerischen Forschung ist ein Erkenntnisinteresse formuliert worden. Denn: Künstlerische Forschung geht einher mit Fragestellungen. Sie ist methodisch und reflektiert. Sie ist zielgerichtet und somit nicht mehr rein intrinsisch motiviert. Dennoch ermöglicht sie ästhetische Erfahrungen. Wie dargestellt sind ästhetische Erfahrungen jedoch nicht durchweg steuerbar. Auch wenn sie durch Künstler initiiert werden, ist nicht jeder Rezipient gleichermaßen involviert. Denn ästhetische Erfahrungen passieren einfach und werden im Zusammenspiel der Erkenntniskräfte subjektiv erlebt. Die Arbeit enthält Gedanken, Notizen und Abbildungen, die den gesamten künstlerischen For­schungsprozess dokumentieren und reflektieren, sodass der Prozess nachvollziehbar gestaltet worden ist. Die im künstlerischen Forschungsprozess entstandenen Arbeiten stellen gemeinsam mit dem schriftlichen Teil das Forschungsergebnis dar. Sie vermit­teln zusätzlich das, was begrifflich nicht vermittelt werden kann. Im Akt des Betrach­tens ermöglichen sie das Erleben von Zeit auf visueller Ebene. Sie untermauern die ein­gangs formulierte These. Sie sind aber nicht als reine Illustration der Theorie zu verste­hen. Es wurde versucht, Zusammenhänge darzustellen, aufzuzeigen und Verknüpfun­gen herzustellen. In Ansätzen dürfte dies gelungen sein. Inwieweit neue Erkenntnisse in den Diskurs eingegangen sind, lässt sich nicht genau sagen.

 

Die Arbeit ist inspiriert von den Handlungsanweisungen der 1960er Künstler, aber auch von dem Kunstprojekt 10 wichtigste Ereignisse von Mats Staub. Wie auch bei Hanne Darbovens Arbeit ist Schreiben hier Zeit. Zudem ist diese Arbeit auch von Marina Abra­mović' Performance The Artist Is Present beeinflusst. Neben statischen Bildträgern sind auch Prozesskunst, Video und kinetische Kunst Teil der Arbeit geworden.

 

Eigenzeit ist persönliche Zeit. Im individuellen Zeiterleben hinterlässt sie Spuren – sichtbar an den Alterungsprozessen, nicht sichtbar in Form von Erinnerungen, die mit unterschiedlichsten Gefühlen verbunden sind. Im Arbeitsprozess ist Eigenzeit nicht nur thematisiert und visualisiert worden, Zeit ist insbesondere durch die Aktionen erlebt worden. Dieses Erleben ist für die Betrachter nachvollziehbar gestaltet, da auch sie zum Handeln aufgefordert sind. Individuelles Zeiterleben wird somit nicht nur visuali­siert, sondern durch den Einbezug der Rezipienten, die somit Teil des Werkes werden, für diese unmittelbar erlebbar gemacht. Die Arbeit selbst entwickelt sich durch ihre Teilnahme an den Aktionen weiter und weist damit in die Zukunft.

 

Auch diese schriftliche Arbeit, die den künstlerischen Forschungsprozess umrahmt und durchdringt, ist ein Medium, das nach Erkenntnis sucht und das eigene Denken hinter­fragt. Es fungiert als Dokumentation, schriftlicher Kommentar und als Sprachrohr. Doch auch dieser begleitende Text ist seiner Zeitlichkeit unterworfen und neigt sich nun dem Ende zu. Ich komme zu dem Schluss, dass alles auf dieser Welt seine Zeit hat, in Ver­änderungsprozesse eingebunden ist und in steter Wechselwirkung zur Umgebung steht. Dabei ist nichts auf dieser Welt losgelöst von Zeit und Raum zu betrachten. Alles hängt zusammen und wird eins im Prozess des Seins. Diesbezüglich ist es nicht ver­wunderlich, dass Methoden und Techniken zur Darstellung der Zeit in der Bildenden Kunst auch als Darstellung des Raumes betrachtet werden können und umgekehrt. Auch wenn Raum und Zeit von ihrem Wesen und ihren Dimensionen her verschieden sind, so bestimmen sie – nicht erst seit der Relativitätstheorie – als untrennbare Einheit das Sein auf dieser Erde und somit auch die Kunst.

 

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Teil III

Werkbuch

Eigenzeit. Individuelles Zeiterleben im Spannungsfeld von Augenblick und Dauer. Eine künstlerische Forschung unter Betrachtung medialer Eigenheiten.